Städte des Wissens als Stätten der Begegnung |
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Zum Megatrend der Informationstechnologie
haben sich Datenautobahn und Multimedia-Anwendungen entwickelt.
SNI in NRW wird deshalb zukünftig unter einer eigenen Rubrik
ausführlich über aktuelle Entwicklungen berichten. Dieser
Themenkreis stand auch im Mittelpunkt der alljährlich am
6.12. stattfindenden SNI-Veranstaltung Innovation aus Tradition.
Dr. Helmut Volkmann aus dem Zentralbereich Forschung und Entwicklung
der Siemens AG machte dabei auf die gesellschaftliche Relevanz
der sich abzeichnenden Veränderungen aufmerksam. Wegen der
besonders positiven Resonanz auf diesen Vortrag fassen wir einige
seiner visionären Gedanken noch einmal zusammen:
Die entwickelten Industriegesellschaften
müssen etwas völlig Neues wagen. Sie müssen "ihre
Zukunft neu erfinden. Darin liegt zugleich eine Chance für
die globale Gemeinschaft. Probleme von heute sind Geschäftsmöglichkeiten
für morgen. Vielfältige Problemlösungsgeschäfte
zeichnen sich ab: Ressourcenschonende Produkte und Recycling,
Energieersparnis, umweltschonender Verkehr, sozialverträgliche
Arbeit und Automation, gesundes Bauen und Wohnen, Gesundheitsvorsorge,
Sicherheit für den Bürger, komfortable Kommunikation,
schlanke Organisation und gesicherte Information, sinnvermittelnde
Bildung und Kultur, mußevolle Freizeit. Allerdings erfordert
die gesteigerte Komplexität dieser Geschäfte eine höhere
Qualifikation. Lebenslanges Lernen für den Bürger als
Arbeitnehmer und Mitglied der Gesellschaft ist angezeigt. Die
großen Organisationen müssen schneller lernen. Information
muß besser beherrscht werden, damit die Komplexität
bewältigt werden kann. Es bedarf eines "geistigen"
Aufbruchs mit einer langfristigen Orientierung, der es ermöglicht,
auch unbequeme Wahrheiten zu verkraften. Ziel muß es sein,
die "Produktivität des Geistes" zu fördern.
Die Gesellschaft muß den "Wandel wollen"!
Vielleicht sollte die
folgende fiktive Meldung ernst genommen werden: Auf den Tag genau
wie geplant ist recht zeitig zum Jahrtausendwechsel am 31. De
zember 1999, 9.00 Uhr, die unter Führung des Alpha-Konsortiums
mit einem Kapital von rund 550 Mill. Dollar erstellte Knowledge
City mit einem Vergnügungsareal im Pazifischen Raum nach
nur dreijähriger Bauzeit ans Netz der Breitbandkommunikation
gegangen. Die Betreiber sind optimistisch, in schon weiteren drei
Jahren eine vollständige Refinanzierung zu erlangen.
Die in der Meldung
versteckte Wagnisidee sucht Wagniskapital. Sie ist durchaus keine
Utopie mehr, sondern eher schon eine sich konkretisierende Vision,
die eine ganze Reihe von Entwicklungen zu einem praktikablen Leitbild
integriert. Weltausstellungen, Messen und Besuchsstätten
von Firmen werden technisch und ästhetisch attraktiv hergerichtet
und bieten vielfältigen Zugang zu neuen Informa tionen. Computernetzwerke
bieten Foren für Diskussionen. Der Museums- und Stadtrundgang
im und mit dem Computer ist mit Hilfe der CD ROM schon für
den Endverbraucher erwerbbar.
Eine solche Wissensstadt
kann als Miniatur, vergleichbar einer größeren Ausstellung,
gebaut werden oder als künstliche Realität mit Hilfe
von Medien- und Computertechnologien im Arbeitszimmer wie auch
im Wohnraum realisiert und auch in Kombination beider Realitäten
verwirklicht werden. Entscheidend ist, daß Wissensstädte
als Stätten lebenslangen Lernens gestaltet werden und die
Begegnung zwischen Beteiligten und Betroffenen ermöglichen.
Die technologischen Mittel sind jedenfalls weitgehend vorhanden,
und weitere technische Potentiale wie die Holographie können
auf Sicht integriert werden. Die Gestaltung einer Wissensstadt
ist zunächst eine methodisch-didaktische, dann vor allem
eine thematische Herausforderung, der sich neue Berufe und Institutionen
widmen können.
Wissensstädte
repräsentieren Wissen in seinem Kontext. Letztlich muß
immer das Originaldokument studiert werden. Aber auf dem Wege
dorthin kann vielfältiger Komfort geboten werden. Ein Benutzer
findet Informationen, die er ursprünglich gar nicht gesucht
hat, aber im Kontext seiner Überlegungen gut gebrauchen kann.
Die "Städte
des Wissens" als Stätten der Begegnung repräsentieren
ein Leitbild, in dem vorhandene Lösungsansätze neu kombiniert
und in dessen Rahmen die noch unbekannten Applikationen betrieben
werden können. Das Leitbild ist geeignet, Selbstorganisation
zu fördern. Gründer und Gestalter können aktiv
werden, Wissenserschließung, Wissensaufbereitung und Wissenstransfer
läßt sich auf Basis dieser Infrastruktur fördern.
Die Qualität des Angebots, differenziert nach Zielgruppen,
entscheidet die Entwicklung einer Wissensstadt.
Die neuen Applikationen
sind auch dem Kontext "Wandel wollen" selbst zu widmen.
Dazu gehören dann auch die Darstellung von Alternativen und
Konflikten, Konsens und Dissens in der Beurteilung von Zielen
und Vorgehensweisen. Dazu gehört auch die Begründung
von Entscheidungen. Es muß ein "Code of Conduct"
für die Gründer, Gestalter, Betreiber und Benutzer von
Wissensstädten in Übereinstimmung mit dem Willen zum
Wandel gestaltet werden. Monopolstellungen und Mißbrauch
müssen verhindert werden, ein Gesetz wäre denkbar.
Es ist vorstellbar,
daß ein ganzes Netz von Wissensstädten entsteht, bei
dem sich einzelne Wissensstädte bestimmten gesellschaftlichen
und unternehmerischen Bedarfsfeldern widmen. Mit ihren Wissensvorräten
treiben sie untereinander Handel. Diejenigen Wissensstädte,
die die meisten Besucher und Benutzer anlocken, werden sich durchsetzen,
andere, die didaktisch schlecht gemacht sind oder sich mit Themen
beschäftigen, die nicht zukunftsweisend sind, könnten
ein Opfer der Aufklärung werden.
Noch ist es eine gewagte
Idee für eine Wunschvorstellung. Aber Wünsche von heute
können Fakten von morgen werden. Städte des Wissens
zu bauen, die aktuell und auch virtuell als Stätten der Begegnung
aufgebaut und ausgestaltet werden könnten, ist mehr als eine
interdisziplinäre Herausforderung. Das Vorhaben ist ein Ansatz
zum Wandel und auf Sicht eines der größten Arbeitsbeschaffungsprogramme
in der globalen Gemeinschaft. Vielleicht gelingt es, eine Koalition
aus "Geist, Macht und Geld" zu schmieden. Eine europäische
Initiative? SNI in NRW 1/95 |