Die Wiederbelebung der Polis: Städte des Wissens,

Stätten der Begegnung,

zum gemeinsamen Diskurs der Unternehmen, Bürger und Kommunen


Helmut Volkmann, München

1. Eine programmatische Skizzierung zu den Herausforderungen der Gesellschaft

1.1 Auf dem Wege zur Problemlösungsgesellschaft

Die reichen, entwickelten Industriegesellschaften müssen etwas völlig Neues wagen. Sie müssen "ihre Zukunft neu erfinden". Darin liegt zugleich eine Chance für die globale Gemeinschaft (Volkmann, 1993 a). Eine kurze programmatische Skizzierung genügt, die Erfordernisse zu verdeutlichen:

Probleme von heute sind Geschäftsmöglichkeiten für morgen. Die gesteigerte Komplexität dieser Geschäfte erfordert eine höhere Qualifikation. Lebenslanges Lernen für den Bürger als Arbeitnehmer und Mitglied der Gesellschaft ist angesagt. Die großen Organisationen müssen schneller lernen. Information muß besser beherrscht werden, damit die Komplexität bewältigt werden kann. Es bedarf eines "geistigen" Aufbruchs mit einer langfristigen Orientierung, der es ermöglicht, auch unbequeme Wahrheiten zu verkraften.

Ziel muß sein, die "Produktivität des Geistes" zu fördern. Die Gesellschaft muß den "Wandel wollen"! Nur dann kann sie im internationalen Wettbewerb ihre komparativen Vorteile sichern und sich ihren wirtschaftlichen Wohlstand bewahren. Warum?

Der globalen Gemeinschaft steht ein gravierender Wandel bevor, der sich innerhalb zweier Jahrzehnte vollziehen wird. Die Weltbevölkerung von heute rund 5 Milliarden Menschen wächst in nur 20 Jahren auf rund 8 Milliarden Menschen an, die nicht nur versorgt sein wollen, sondern die alles daran setzen werden, sich ein lebenswertes Leben zu gestalten. Es entstehen zwar zusätzliche und neue Märkte; es wachsen aber auch eigenständige neue Wettbewerber heran. Diese werden Produkte und Leistungen erbringen, die heute noch eine Domäne der reichen und entwickelten Industriegesellschaften sind. Letztere müssen sich neue Märkte für neue Geschäfte erschließen, um für ihre Volkswirtschaften die komparativen Wettbewerbsvorteile zu erhalten.

In den reichen und entwickelten Industriegesellschaften geht es um mehr als die Überwindung der Rezession und die Bereinigung der Strukturkrise mit der damit verbundenen Sockelarbeitslosigkeit. Es geht um einen Wechsel in den langen Wellen der wirtschaftlichen Entwicklung vom vierten zum fünften Kondratieff-Zyklus, und es geht um den Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft. Und das bei drastisch veränderten Bedingungen im internationalen Wettbewerb und bei einer steigenden Weltbevölkerung.

Der notwendige Wandel der Arbeitsstrukturen muß bewußter gestaltet werden. Nicht Arbeiten müssen ist Zeit zum Lernen. Und eine erhöhte Qualifikation ist dringend nötig, um in neuen Märkten bestehen zu können und um den damit verbundenen Strukturwandel in der Beschäftigung zu meistern.

Die weitere Substitution von Handarbeit und einfacher Kopfarbeit durch Maschinen wird in den reichen und entwickelten Industriegesellschaften zur Aufrechterhaltung des Arbeitsvolumens dazu führen müssen, in etwa 20 Jahren rund 80 % der Beschäftigten ihren Lebensunterhalt mit komplexen bis hoch komplexen Informationsarbeiten verdienen können.

Der Aufschwung des fünften Kondratieff-Zyklus wird aller Voraussicht nach, gemessen an den Erfahrungen der Vergangenheit zu erreichen sein, wenn in den reichen und entwickelten Industriegesellschaften geeignete unternehmerische Initiativen zur Entfaltung kommen.

1.2 Das Problemlösungsgeschäft

Das unternehmerische Engagement muß sich deshalb verstärkt auf die Erschließung der Problemlösungsgeschäfte konzentrieren. Die Bedarfs-, Applikations- und Innovationsfelder sind bekannt:

ressourcenschonende Produkte und Recycling, Energieersparnis, umweltschonender Verkehr, sozialverträgliche Arbeit und Automation, gesundes Bauen und Wohnen, Gesundheitsvorsorge, Sicherheit für den Bürger, komfortable Kommunikation, schlanke Organisation und gesicherte Information, sinnvermittelnde Bildung und Kultur, mußevolle Freizeit

Hier liegen die Chancen für neue Geschäfte. Die Erschließung neuer Märkte erfordert Aufklärung und Informationstransfer. Viele Verantwortliche und Beteiligte und auch die Bevölkerung sind einzubeziehen.

Nur wenn diese skizzierte Konstellationen der Wettbewerbsfähigkeit, des langfristigen Aufschwungs und der Beschäftigung erreicht werden können, ist mit einem eingeschwungenen Zustand zu rechnen, der den Mitgliedern der reichen und entwickelten Industriegesellschaften weiterhin Wohlstand und Lebensqualität beschert.

Es ist daher alles andere als Altruismus, warum sich die reichen und entwickelten Industriegesellschaften gezwungen sehen, sich unter erweiterten und auch veränderten Fragestellungen mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Es muß bewußt gemacht werden, daß in der derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konstellation Lösungen zu den innovativen Herausforderungen der Zukunft in erweiterten und neuen Kontexten erarbeitet werden müssen.

Die Herausforderungen sind eigentlich bekannt. Es mangelt nicht an Analysen zur Lage der Gesellschaften, und es gibt auch genügend Vorschläge zu Lösungen der großen Problem- und Aufgabenstellungen der globalen Gemeinschaft, deren Bewältigung das Schicksal aller bestimmen wird. Viele Anstrengungen sind zu verzeichnen, aber sie reichen bisher nicht aus, die anstehenden und sich immer gewaltiger und schneller auftürmenden Probleme zu bändigen. Trotzdem muß jedes Engagement - und sei es noch so klein - weiterhin ermuntert und unterstützt werden.

1.3 Aus der Vergangenheit lernen: Erfahrung nutzen!

Die innovative Dynamik in der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung

Um den unbekannten Kontext für eine langfristige, mehrere Jahrzehnte umfassende Vorausschau zu erschließen, kann es daher auch hilfreich sein, den Kontext im Rückblick der Entwicklung der Gesellschaft zu studieren. Die Gesellschaft kann aus der Vergangenheit lernen, um eine Projektion für die Zukunft zu wagen. Es geht bei der folgenden Analyse nicht um eine Prognose durch Extrapolation, sondern (nur) um die Transpositionen von Erfahrung.

Aufgrund der Analysen von Indizes für verschiedene wirtschaftliche Einflußfaktoren kam Kondratieff zu dem Ergebnis, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung in langen Wellen von etwa 50 Jahren vollzieht. Einer Phase der Aufbruchstimmung und des Aufschwungs folgt eine Phase der Reife und des Einschwingens auf einem höheren Niveau. Dieser Verlauf läßt sich als innovative Dynamik deuten.

Für Erfindungen ergeben sich in zunehmendem Maße Nutzanwendungen, die sich schließlich in der Breitenwirkung so verstärken, daß sie für mehrere Jahrzehnte das wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen dominieren, zumindest im Rückblick im subjektiven Bewußtsein der Gesellschaft zu prägen scheinen. So läßt sich jeder der bisher vier abgelaufenen Zyklen durch einige wenige herausragende große Nutzanwendungen von Technologien charakterisieren. Für die 200jährige Entwicklung der Industriegesellschaft sind vier Zyklen identifiziert und durch charakterisitische Innovationen gedeutet worden.

Von besonderer Bedeutung ist der Charakter der Netzwerke, die den Aufschwung in den Zyklen bewirkt haben (in Klammern Jahreszahlen zur Orientierung). Dazu gehören: das Eisenbahnnetz (2. Zyklus: 1847 - 1873 - 1893), das Elektrizitätsversorgungsnetz (3. Zyklus: 1893 - 1913 - 1984), das Autobahnnetz und das Kommunikationsnetz (4. Zyklus: 1939 - 1966 - 1984).

Es war jedesmal ein völlig neues Netzwerk, über dessen Anlage und Wirkungsweise zu Beginn eines Zyklus nur wenige Beteiligte Vorstellungen hatten. Einerseits ergaben sich Synergien mit dem Bestehenden, andererseits entstand etwas völlig Neues, was sich nicht unmittelbar aus Extrapolationen ableiten läßt.

Von der Entwicklungsdynamik her wird angenommen, daß sich die Gesellschaft in den 90er Jahren im Wechsel vom vierten zum fünften Kondratieff-Zyklus (1984 - 2015 - 2035) befindet. Ferner wird angenommen, daß der fünfte Kondratieff-Zyklus von Applikationen getrieben werden wird, die auf "Wissen und Information" und "Ökologie" basieren. Diese zu großen Teilen noch unbekannten Applikationen werden das wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen der nächsten 40 bis 50 Jahre bestimmen. Der Aufschwung erfolgt jedoch keineswegs automatisch, sondern er wird - wie die bisherige Entwicklung der Industriegesellschaft lehrt - durch unternehmerisches Engagement zur Initiierung und Durchsetzung fundamentaler Innovationen bestimmt. Neue und erweiterte Leitbilder mit großer Gestaltungswirkung werden gebraucht.

Die Aussage des Wechsels des Zyklus gibt erste Hinweise zum notwendigen unternehmerischen Verhalten. Während in der Phase des Aufschwungs die fundamentalen Innovationen die Entwicklung treiben, dominieren in der Phase der Reife bis zum Ausklang die inkrementalen Innovationen. Fundamentale Innovationen sind im Vergleich zu den inkrementalen Innovationen des Besser, Schneller, Kleiner und Billiger dadurch charakterisiert, daß die Applikationsvorstellungen noch vage sind, die Märkte erst erschlossen werden müssen und neue Technologiekombinationen, basierend auf vorhandenen Erfindungen, noch zu erproben sind.

Fundamentale Innovationen erfordern unternehmerischen Spürsinn und Risikobereitschaft für einen hohen Kapitaleinsatz, um ein neuartiges Netzwerk zu schaffen, damit sich die prägenden Applikationen des Kondratieff-Zyklus mit breiter Wirkung nutzen lassen.

Fundamentale Innovationen erfordern neue Orientierungen und einen Wandel der Einstellungen. Davon hängt der langfristige Aufschwung der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte, etwa bis zum Jahre 2015/2020, ab. Dann erst können wieder die Früchte der inkrementalen Innovationen geerntet werden.

Die Charakterisierung der prägenden Nutzanwendungen als wissensbasiert und ökologieorientiert verweist auf zu erwartende, teilweise ja auch schon zu beobachtende Megatrends der Informatisierung und Telematisierung und der Ökologisierung. Diese sind vergleichbar der Mechanisierung, der Elektrifizierung, der Automatisierung und der Elektronisierung einzustufen, die die langfristige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung beeinflußt haben. Ob und wie diese Megatrends sich durchsetzen und welche Konsequenzen sich daraus für die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte ergeben, ist schwer zu überblicken. Hier bietet das Studium der abgelaufenen Entwicklung jedoch einige weitere wichtige Hinweise.

1.4 Die Meta-Konstellation der treibenden Kräfte

Eine Analyse der bisher vier identifizierbaren Kondratieff-Zyklen zeigt, daß alle Zyklen durch eine vergleichbar charakteristische Konstellation geprägt wurden, die den Beteiligten und Betroffenen auch bewußt wurde und zur Aufbruchstimmung beigetragen hat:

- Es waren jeweils einige wenige neue Applikationen, die im Vergleich zum vorangegangenen Zyklus in der Breitenwirkung ein fundamentales Bedürfnis befriedigt und den gesellschaftlichen Fortschritt geprägt haben (Dampfmaschine, Eisenbahn, Beleuchtung, Kino, Telefon, Auto, Fernsehen, Computer, Raketen).

- Die jeweils breite Anwendung war mit der Schaffung eines flächendekkenden Netzes verbunden und erforderte ein erhebliches unternehmerisches Investment (Eisenbahnnetze, Energieverteilungsnetze, Autobahnnetze, Kommunikationsnetze).

- Die genutzte Technologiekombination ging teilweise auf Erfindungen älteren Datums zurück, war also zum Zeitpunkt des Aufschwungs schon bekannt.

- Durch diese fundamentalen Innovationen wurden Synergien für weitere Applikationen und weitere neue Technologiekombinationen gestiftet.

- Die entstehende charakteristische Nutzanwendung des Zyklus leistet einen entscheidenden Beitrag zur Befriedigung fundamentaler Bedürfnisse: Erleichterung der Arbeit, weltweite Ressourcenverfügbarkeit, lebenswerte Urbanität, Förderung von Individualität und Mobilität.

Unter der Annahme, daß eine derartige Konstellation auch im fünften Kondratieff-Zyklus prägend sein wird, lassen sich Anhaltspunkte gewinnen, die die notwendigen fundamentalen Innovationen des fünften Kondratieff-Zyklus bestimmen helfen. Um es noch einmal einzugrenzen: Die prägenden Applikationen werden neu, d.h. zu Beginn des Zyklus noch gar nicht vorstellbar sein. Das flächendeckende Netz wird ein neues Netz sein, das auf den bisherigen Netzen aufbaut, während die Technologiekombination eher im Bekannten wurzelt. Aber erst die Kombination aller Faktoren der Konstellation wird den Durchbruch bringen.

1.5 Das Netzwerk des Wissens

Die programmatische Skizzierung liefert erste Hinweise für die Ansätze zur Befriedigung fundamentaler Bedürfnisse. Die Vermutung ist, daß die Applikationen Bedürfnisse befriedigen, die im Kontext "Wandel wollen" zu suchen sind: komplexe Verfahren der Wissensverarbeitung im Dienste von Erfordernissen wie

lebenslanges Lernen, gesellschaftlich richtig rechnen, sustainable development, Aufklärung, "ungeschminkte Wahrheit", Konsumverzicht, komparative Vorteile, langlebige Produkte, Kommunikationskultur, sozialer Friede.

Für diese stichwortartige Anlistung ist zunächst eine Verständigungsbasis zu schaffen, um den Kontext zu erarbeiten. Die Vermutung ist, daß ein Netzwerk dem Aufbau dieser Verständigungsbasis selbst gewidmet ist. Es steht im Dienste der Befriedigung immaterieller Bedürfnisse. Es ist Wissen zu erschließen, aufzubereiten und zu vermitteln.

Die Errungenschaften der Industriegesellschaft von der Erleichterung der Arbeit bis zur Individualität und Mobilität werden zwar zu nutzen sein, sie lassen sich aber nicht beliebig gradlinig fortschreiben. Die Errungenschaften werden durch eine neue, fundamentale Bedürfnisbefriedigung überwölbt oder erweitert. Sehr allgemein läßt sich die stichwortartige Anlistung zu der Aussage verdichten: Probleme für die Mitwelt lösen!

Die Problemlösungsgesellschaft braucht neuartige Applikationen, um zunächst ihre Problemlösungsfähigkeit zu steigern. Sie muß sich für den Fortschritt geistig ertüchtigen. Die Organisationen und Bürger müssen lebenslang lernen können.

Für die notwendigen Applikationen sind Technologien und Methodologien in neuen Kombinationen zu nutzen, die geeignet sind, die mentalen Fähigkeiten der Menschen zu fördern. Diese Kombinationen sollen als "mentale Medien" adressiert werden, die sich aus der zunehmenden Integration der Medien-, Informations- und Kommunikationstechnik ergeben.

Das flächendeckende Netzwerk muß jedermann in geeigneter und ausreichender Weise Zugang zum Wissen bieten. Dabei ist nicht nur an eine elektronische Vernetzung der Wissensträger zu denken, sondern an eine Vernetzung semantischer Art. Es geht nicht nur um den Zugriff auf Wissen in seiner Quantität, sondern vor allem in seiner Qualität.

1.6 Ansätze für eine erweiterte Industriepolitik im Zeichen der Informationsgesellschaft

Datenautobahnen: Schlüssel zur Zukunftsgestaltung?

Das vorrangige Ziel für die entwickelten und reichen Industriegesellschaften, ihre informationale Infrastruktur auszubauen und weiterzuentwickeln, hat mit dem Stichwort von den Datenautobahnen eine breite Resonanz erlangt. Was von Experten schon seit Jahren verfolgt wird, hat auch politische Beachtung gefunden (Gore, 1993;Weißbuch; Bangemann-Report!): Einerseits nichts spektakuläres Neues, andererseits dennoch in der integrativen Wirkung eine weiterreichende Perspektive für vielfältige Applikationen. Einige wenige Stichworte genügen für eine Charakterisierung:

schnelle geschäftliche Transaktionen, Tele-Shopping für Konsum- und Investitionsgüter, Administration und Bürgerservice, Medizin und Gesundheit, Reisen und Freizeit, Unterhaltung, Schulung und Training, Kultur und Bildung

Über die schon in Betrieb befindlichen und sich weiterentwickelnden elektronischen Netzwerke wächst bottom up evolutionär ein Potential für die Erschließung, Aufbereitung und den Transfer von Wissen heran, das nicht nur von Experten, sondern unmittelbar auch von Interessenten aller Art genutzt werden kann. Multimedia eröffnet neuartige Nutzungsmöglichkeiten.

Kritische Stimmen zu dieser Entwicklung warnen vor einer euphorischen Überzeichnung des Neuen. Euphorie schadet erfahrungsgemäß eher, als daß sie nutzt. Es wird auch mit Sorge gefragt, ob die Marktkräfte allein ausreichen, anspruchsvolle und sinnvolle Applikationen zu realisieren.

Neue und anspruchsvolle Applikationen werden beispielsweise für das allseits geforderte "lebenslange Lernen" gebraucht, damit im internationalen Wettbewerb komplexere Problem- und Aufgabenstellungen bewältigt werden können. Das eingangs skizzierte Problemlösungsgeschäft erfordert eine höhere Qualifikation der Beteiligten - mehr noch - die bewußte Entwicklung zur Problemlösungsgesellschaft. In der Lösung der eigenen Probleme liegen die Chancen für den Export von morgen!

Die komplementäre Aufgabenstellung

Die skizzierten Herausforderungen und auch Besorgnisse lassen sich konstruktiv in eine komplementäre Aufgabenstellung explizit einbringen und einbinden:

(1) Das Informationsgeschehen im Netzwerk ist (nicht nur) auf und mit den Datenautobahnen zu gestalten, (sondern)

(2) die Nutzungspotentiale sind als eigenständige Knoten der Verbindungen aufzufassen und ergänzend nach einem Leitbild mit einer weitergehenden Orientierung zu gestalten.

Bei dem prägenden Netzwerk für den fünften Kondratieff-Zyklus geht es um mehr als Datenautobahnen!

Ausgehend von der Metapher der Datenautobahnen ist zu fragen, was geschieht, wenn die Daten die Datenautobahnen an den Anschlußstellen verlassen und zu den Orten ihrer Verwendung gelangen? Um im Vergleich zu bleiben: Was geschieht mit den transportierten Wissensgütern in den Städten, die durch (Daten-)Autobahnen miteinander verbunden sind?

Die generelle Antwort lautet: Die Daten dienen der Erschließung, Aufbereitung und Vermittlung von weiterem Wissen in den Städten. Wer einen Anschluß hat, wird Nutznießer der transportierten Wissensgüter. Um weiter im Bild zu bleiben: Zum Netzwerk des Wissens gehören nicht nur Verbindungswege zwischen den Städten, sondern als Knoten auch "Städte des Wissens", in denen Wissen erschlossen, aufbereitet und vermittelt wird.

Der zweite Teil der komplementären Aufgabenstellung betrifft deshalb die Gestaltung des Informationsgeschehens beim potentiellen Nutzer selbst. Er muß sein Wissen ordnen und speichern, die Prozesse der informationalen Wertschöpfung für das Problemlösungsgeschäft gestalten und neues Wissen vermitteln. Dabei muß er Begegnung zwischen Beteiligten organisieren. Die Städte des Wissens sind als Stätten der persönlichen Begegnung zu gestalten! Erst die persönliche Begegnung schafft eine hinreichende Basis für die Verständigung über den notwendigen Wandel.

2. Das Leitbild "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung

2.1 20 Jahre voraus

Um das Jahr 2015 herum wird es kein exotisch anmutendes Vorhaben sein, eine Wissensstadt aufzusuchen und sich dort mit Gleichgesinnten zur Durcharbeit einer komplexen Problem- und Aufgabenstellung zu treffen.

Große Organisationen und Institutionen, vor allem auch europäische Kommunen, haben sich in dem innovativen Geschäftsbereich der "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" engagiert.

Als Stätten der Begegnung ausgerüstet, treffen sich in den Wissensstädten, wo auch Kongresse abgehalten werden, nicht nur Experten und Spezialisten, sondern auch interessierte Bürger, die sich in Problemlösungsinitiativen engagieren, Schulklassen und Universitätsseminare, die an Projekten arbeiten, und auch Familien, die eine neue Art des Bildungstourismus nutzen (Knowledge Tours). Bei der praktischen Arbeit haben die Verantwortlichen und Beteiligten an Innovationen daher auch immer sogleich die Möglichkeit, Betroffene und Laien in ihre Arbeit einzubeziehen.

Ergänzend zu den großen thematischen Wissensstädten des Problemlösungsgeschäfts gibt es spezialisierte Wissensstädte, meist von Organisationen und Institutionen betrieben, die sich auf einzelne Themen und Methoden, Forschungen und technische Lösungen spezialisiert haben. Sie treten meist als Zulieferanten auf.

Außerdem gibt es in den Kommunen Begegnungsstätten, die ebenfalls an das Netzwerk der Wissensstädte angeschlossen sind. Sie werden von den Bürgern gerne aufgesucht, wenn es um Erledigungen des Alltags geht - die persönliche Beratung vor Ort wird nach wie vor geschätzt - oder wenn sie sich als Gruppe auf den Besuch einer Wissensstadt vorbereiten wollen. Auch Kaufhäuser und Geschäfte sind an das Netzwerk der Wissensstädte angeschlossen. Last not least: Jeder kann mit Hilfe im Hause installierter, kleinerer Informationsanlagen sich direkt am Netzwerk der Wissensstädte beteiligen. Das Erlebnis aber, eine Wissensstadt, die einem Thema gewidmet ist, vor Ort zu besuchen, läßt sich durch Elektronik nicht ersetzen.

2.2 Städte erleben und Wissen gewinnen

Über Datenautobahnen spricht man nicht (mehr), man benutzt sie. Das ist selbstverständlich. Wissensstädte besucht man und spricht darüber. Es ist das Erscheinungsbild und die Erlebniswelt der Wissensstädte, das die Besucher immer wieder anzieht. So wie in einer echten Stadt Neues erkundet und Ungewöhnliches erlebt werden kann, das dann zu einem regen Gedankenaustausch der Beteiligten führt, gibt es auch in einer Wissensstadt immer wieder etwas Neues zu erkunden und Neuartiges zu erleben.

Es ist vor allem gelungen, das Interesse der Bürger für die Herausforderungen der Zukunft zu wecken und damit auch für das Gemeinwohl zu mobilisieren. Die Herausforderung des lebenslangen Lernens ist angenommen worden. Durch tätige Mitarbeit in den Wissensstädten können sich die Bürger qualifizieren. Daß man in den Wissensstädten auch viel Wissenswertes für den Alltag des privaten Lebensbereichs erfährt und lernt, ist eine angenehme Beigabe.

In den Städten des Wissens sind nicht nur die grossen Organisationen und Institutionen vertreten, die sich in den Problemlösungsgeschäften engagieren, sondern auch Repräsentanten aus allen Wissenskulturen. Es ist erkannt worden, daß vor allem durch die Begegnung unterschiedlicher Wissenskulturen, die sogenannte Interferenz der Wissenskulturen, die Innovationen maßgeblich aktiviert und gefördert werden. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn eine Gruppe, die mit einem ökonomisch-technologischen Problem beschäftigt ist, in ihrer Wissensstadt auch Örtlichkeiten aufsucht, die unmittelbar mit dem Thema gar nicht in Beziehung zu stehen scheinen. Dazu gehören Geschichte und Utopien, Mythen und Märchen, die schönen Künste, Reflexionen und Weisheiten und auch immer wieder die Auseinandersetzungen mit den Problemen des Alltags in aller Welt, wenn es sein muß, auch unmittelbar in den Problem Slums.

Durch die Begegnung der Wissenskulturen ist es gelungen, das Leitbild "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" zu prägen, bewußt zu machen und zu verbreiten.

2.3 Das Vor-Bild für das Leit-Bild

Das Vorbild für die Wissensstadt ist die historisch gewachsene Stadt. Sie repräsentiert in ihrer Anlage und Gestaltung auch die Intentionen und Ansprüche ihrer Erbauer. Ihr Erscheinungsbild demonstriert Herrschaft und Repräsentation, ist Ausdruck von Kultur und sozialen Milieus, vermittelt urbanes Leben und Stimmungen der Geschäftigkeit und des Müßiggangs. Sie lebt von und mit ihren Bewohnern. Sie lädt zu Besuchen ein. Kurz: Eine Stadt drückt das Lebensgefühl ihrer Bewohner aus - sie repräsentiert sich als Kontext (Warnke, 1984). Bilder zeitgenössischer Künstler legen davon Zeugnis ab.

Der Besucher gewinnt Wissen, indem er die Wissensstadt vor Ort in einer Stadt erlebt. Entweder wird ein Thema in einem Ausstellungsgelände mit eigens baulich gestalteten Ensembles präsentiert, oder es kann die Wissensstadt als Computeranimation, die für ein spezielles Thema im Erscheinungsbild und als Erlebniswelt einer Stadt angelegt ist, in künstlicher Realität besichtigt werden. Beide Verfahren lassen sich miteinander kombinieren.

Wissen wird durch die Topologie und Anlage der Wissensstadt, die Gestaltung der baulichen Ensembles (Fassaden, Grundrisse und die Innenarchitektur der Veranstaltungs- und Ausstellungsräume), das Angebot an immateriellen Waren in multimedialer Ausführung, die Positionierung von Metawissen auf Hinweisschildern in allen Teilen der Stadt repräsentiert.

Eine solche Wissensstadt kann als Miniatur, vergleichbar einer größeren Ausstellung, gebaut werden oder als künstliche Realität mit Hilfe von Medien- und Computertechnologien im Arbeitszimmer und auch im Wohnraum realisiert und auch in Kombination beider Realitäten verwirklicht werden. Entscheidend ist, daß Wissensstädte als Stätten lebenslangen Lernens gestaltet werden und die persönliche Begegnung zwischen Beteiligten und Betroffenen ermöglichen.

In einer ersten Ausbaustufe kann der Besuch sogar in Gedanken erfolgen, als ob man sich auf den Besuch einer Stadt vorbereitet. Dazu dienen Prospekte, Stadt- und Reiseführer, Bildbände und Beschreibungen von simulierten Stadtbesuchen.

Mit allen Formen der Realisierung wird ein dreifaches Anliegen verfolgt:

- Organisation der Begegnung von Beteiligten und Betroffenen zur Gestaltung des Wandels der Gesellschaft und in der Organisationen

- Veranschaulichung komplexer Sachverhalte auch immaterieller Art im Erscheinungsbild der Wissensstadt

- Wissen in Szene setzen in der Erlebniswelt der Wissensstadt wie in einem großen, offenen Theater

Die Wissensstadt als Bauwerk repräsentiert in natürlicher und künstlicher Realität ein Denkwerk. Sie ist ein Kunstwerk.

2.4 Die Rückbesinnung auf die Kraft der Polis

Städte des Wissens knüpfen an kulturellen Errungenschaften an, die bis weit ins Altertum zurückreichen und in unterschiedlicher Ausprägung in allen Kulturen bis auf den heutigen Tag genutzt werden: die Repräsentation von Wissen durch Bauten und Bilder, die Pflege des Wissens durch Traditionen, die Weitergabe von Wissen durch Begegnung wie auf einer Agora, dem Forum oder einem Marktplatz. Die Moderne gewinnt nach der Dominanz von Schrift und Text durch Multimedia eine Anschaubarkeit an Wissen zurück, über die hohe Kulturen schon immer verfügt haben. Multimedia hat es eigentlich schon immer gegeben.

Alte Kulturen nutzten die Anschaubarkeit des Wissens in Verbindung mit Traditionen des Oralen und Textuellen zur Pflege ihres kulturellen Gedächtnisses, an dem alle Mitglieder einer Gemeinschaft teilhaben konnten. Der Besuch ihrer Stätten diente nicht nur dazu, Neues zu erfahren, sondern Bewährtes zu repetieren. An dem Bewährten der Vergangenheit lernten sie, was wichtig und richtig ist, um auch in Zukunft überleben zu können.

Solche Stätten können auch in den modernen Städten, in den Städten des Wissens, wiederbelebt werden. Es würde eine neue Qualität zur Pflege und Weiterentwicklung eines kollektiven, kulturellen Gedächtnisses entstehen, das in verstärktem Ausmaß der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft gewidmet ist.

2.5 Politik vor Ort: neue Dimensionen der Kooperation zur Zukunftsgestaltung

Am Aufbau und Ausbau der Netzwerke der Wissensstädte haben innovative Kräfte aus drei Bereichen zusammengewirkt:

(1) die Unternehmen mit der Interessenlage am Problemlösungsgeschäft

(2) die Kommunen mit der Aufgabe, die Stadtentwicklung der Zukunft zu gestalten

(3) die Bürger in dem Bestreben, Einfluß zu gewinnen, sich qualifizieren und an der Gestaltung der eigenen Zukunft mitwirken zu können

Aus dem symbiotischen Zusammenwirken ergab sich eine Wiederbelebung der "Polis" als Politik vor Ort. Denn für jeden einzelnen spürbar findet sich in den Kommunen wie bei einem Hologramm ein Abbild der zukünftigen Entwicklung des Ganzen zur globalen Problemlösungsgesellschaft. Dieser Ort der alltäglichen Begegnungen und Verrichtungen ist daher am besten geeignet, sich auch den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.

Es ist auch im Interesse der Unternehmen, im Fokus der Kommune, die Möglichkeiten für Problemlösungsgeschäfte auszuloten. Stadtsanierung und Stadtentwicklung werden im Rahmen der Versöhnung von "Ökonomie und Ökologie" die Geschäftsfelder der Zukunft maßgeblich prägen.

Und den Bürger erwartet alles andere als eine Freizeitgesellschaft. Er muß sich auf die verantwortungsvolle Mitwirkung in einer hart arbeitenden Problemlösungsgesellschaft vorbereiten. Die Herausforderungen sind nur gemeinsam zu meistern.

Ein Beispiel

Viele Kommunen stehen vor einer ähnlich gelagerten Problem- und Aufgabenstellung: Alte Industrien werden aufgelassen, Arbeitsplätze gehen verloren, Arbeitnehmer müssen umgeschult werden. Gewerbezentren und Technologieparks bringen zwar eine erste Entlastung, reichen aber nicht aus. Die Anstrengungen müssen verstärkt werden. Es bietet sich an, das Konzept der Wissensstädte in die Umgestaltung der industriellen Zentren in größerem Umfange zu integrieren.

Vorhandene Baulichkeiten sind so umzurüsten, daß im Problemlösungsgeschäft informationale Tätigkeiten optimal verrichtet werden können. An diesem Prozeß sind Unternehmungen und einschlägige Institutionen zu beteiligen, wobei diese zweckmäßigerweise schon so arbeiten müßten, als ob es eine Wissensstadt für diese Aufgabenstellungen gäbe. Dann werden Berufe mit Wissen zur Bearbeitung komplexer Sachverhalte, zum Design und zur Veranschaulichung abstrakter Wissenszusammenhänge, zur Vermittlung von Wissen, zur zweckmäßigen Ausgestaltung der Räume bis hin zur architekturellen Neukonzeption in größerem Umfange nachgefragt werden. Umschulungen lassen sich in einem erweiterten Kontext gestalten.

2.6 Eine europäische Initiative

Die angebotene Skizzierung mag als ein Wunschbild erscheinen. Zu Beginn eines Kondratieff-Zyklus fällt es eben schwer, Vorstellungen zu den technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Errungenschaften in 20 oder 30 Jahren zu präzisieren. Doch Wünsche von heute können die Fakten für morgen gestalten helfen.

Ein erster Durchbruch in der anskizzierten Richtung ist anläßlich der Weltausstellung in Hannover im Jahre 2000 gelungen. Für diese Weltausstellung haben sich eine Reihe europäischer Initiativen und große Organisationen und Institutionen zusammengefunden, um gemeinsam zu demonstrieren, was sie sich vorstellen können, um die großen, globalen Problem- und Aufgabenstellungen zu lösen. Entscheidend war, daß sie ihre thematischen Lösungsvorstellungen in neuen Formen der Kommunikation entwickelt und präsentiert haben und daß es ihnen gelungen ist, adäquate Kommunikationsarchitekturen zu entwickeln und auf der Weltausstellung zu präsentieren.

Der Schlüssel zum Erfolg lag wohl in erster Linie in der Intensivierung der menschlichen Kommunikation auf vielen Ebenen. Die technische Vernetzung und die technischen Möglichkeiten der Repräsentation hatten lediglich eine unterstützende Funktion.

Es bedurfte eines langen unternehmerischen Atems, um derartigen Applikationen, deren Nutzungspotential sich erst im Zuge der praktischen Anwendung erschloß, den Weg zu bahnen. Nicht zuletzt hat ein großzügiges Engagement des europäischen Förderungsprogramms im Rahmen einer weitsichtigen Industrie- und Forschungspolitik geholfen, allen Beteiligten immer wieder Mut zu machen.

Eine Utopie? Oder eine europäische Initiative?

3. Die Wiederbelebung der Polis: Organisation von Begegnung zur Mobilisierung von Gestaltungskräften

3.1 Ausgangslage

Die Wiederbelebung der Polis nach dem Leitbild "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" ist oder wäre die Konsequenz einer Politik zur Umgestaltung der Gesellschaft, die binnen zweier Jahrzehnte zum Tragen kommen könnte. Stätten der Begegnung, als Wissensstädte gestaltet, könnten geeignet sein, Verantwortlichen, aber auch den Bürgern als Betroffenen und Mitwirkenden zu helfen, außerordentlich komplexe Konstellationen zu erfassen und zu analysieren, um gemeinsam zu konkreten Problemlösungen zu kommen, die ihren Namen verdienen.

Die Herausforderung der reichen, entwickelten Industriegesellschaften ist, die von vielen Seiten geforderte Steigerung der Innovationsfähigkeit zu konkretisieren und in eine aktive Zukunftsgestaltung einzubringen.

Die besondere Herausforderung der Unternehmen in der Aufschwungsphase des Kondratieff-Zyklus mit der Notwendigkeit fundamentaler Innovationen ist, erkannte Trends mit gesellschaftlichen Erfordernissen in Übereinstimmung zu bringen, letztere auch konstruktiv mitzugestalten und die Lösungsmöglichkeiten anlangfristigen Zielen auszurichten. Nur wenn das gelingt, entfalten sich fundamentale Innovationen, die über eine Extrapolation des Vorhandenen (inkrementale Innovationen) hinausgehen.

Naturgemäß klafft am Anfang der Aufschwungphase zwischen Erfordernissen und Einsichten, hehren Zielsetzungen und ökonomischen Möglichkeiten eine große Lücke, die es über Lernprozesse zu bewältigen gilt: Die Erfordernisse werden nur unzureichend und widersprüchlich artikuliert, neue Einsichten werden zunächst noch durch bewährte Verhaltensweisen der Vergangenheit blockiert. Es ist ein völlig neuer Kontext zu erarbeiten und zu vermitteln.

Es besteht eine Lücke zwischen erkannten, wenn auch noch kontrovers diskutierten, gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen (Stichwort: nachhaltige Entwicklung!) und den verfolgten technologischen und ökonomischen Vorhaben der Informatisierung und Telematisierung (u.a. Stichwort Datenautobahnen) und der ökonomisch-ökologischen Gestaltung.

Eine generell erhobene Forderung wie "nachhaltige Entwicklung" läßt sich nicht allein mit Aussagen zu den identifizierten Trends erfüllen. Die notwendigen fundamentalen Innovationen müssen durch übergeordnete und konsensfähige Zielsetzungen und Strategien herausgefordert, durch geeignete Rahmenbedingungen gefördert und durch marktfähige Produkte und Leistungen konkretisiert werden können.

Angesichts der Komplexität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sachverhalte müssen die verantwortlichen Gruppierungen eng zusammenwirken. Dazu gehören die Unternehmen, die Kommunen und die staatlichen Stellen mit ihren Zuständigkeiten. Hinzu kommen Multiplikatoren aller Art. Sie müssen sich zunächst gemeinsam einen Kontext erarbeiten, in dessen Rahmen sie agieren können und wollen.

3.2 Kritik: eine gemeinsame Aufgabe

Die Konsequenzen aus der programmatischen Skizzierung bedürfen auf allen Verantwortungsebenen der Diskussion und der Reflexion, um die Schlüsselstellen für einen wirksamen und erstrebenswerten Wandel zu identifizieren. Zunächst ist der Weg das Ziel, um den Gipfel eines Erfolgs zu erklimmen.

Ein Dilemma scheint zu sein, daß weder den Entwürfen im Großen, noch den Mühen im Kleinen bisher der entscheidende Durchbruch gelungen ist. Es müssen Konstellationen herbeigeführt werden, in denen sich Zukunftsentwürfe und Engagements miteinander verbünden können.

In gleicher Weise muß Kritik gebündelt und gemeinsam aufgearbeitet werden. Es nutzt nichts, Vorwürfe an einzelne Gruppen zu adressieren, so berechtigt die Kritik im Einzelfalle auch sein mag:

- Der Bürger ist nicht technikfeindlich, sondern hat berechtigte Zukunftsängste. Im übrigen ist er viel vernünftiger, als ihm mit dem Schielen auf Maximierungsanteile (Märkte und Gewinne, Stimmen und Einschaltquoten) unterstellt wird. Aber er möchte gefragt werden und nicht einseitig überrascht werden.

- Den Unternehmen mangelt es nicht - wie vielfach beklagt - am Potential zur Innovation. Die Mitarbeiter - als Repräsentanten des vielfach zitierte Humanvermögens - sprühen vor Ideen und sind auch bereit, sich zu engagieren. Es fehlt aus einer ganzen Reihe von Gründen an Umsetzungskraft. Es fehlt auch an Rahmenbedingungen, die auch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu verantwortlichem Handeln zwingen, zumindest anreizen. Zur Überraschung vieler sind ökologische Lösungen oft viel kostengünstiger als bisher favorisierte traditionelle Alternativen. Es fehlt an Transparenz für die Möglichkeiten.

- Die politischen Verantwortlichen sind ein Opfer der Politikverdrossenheit, die sie aus vielerlei Gründen teilweise selbst herbeigeredet haben. Kurzfristiger Aktionismus, wie er in vielen Interviews zum Ausdruck kommt, ist gar nicht gefragt. Die langfristige Perspektive, auch wenn sie mit Opfern verbunden ist, wird geschätzt. Die Politiker müssen einfach mehr wagen: dem Bürger mehr zutrauen und die Unternehmen fordern und nicht fürchten.

- Die vielfältige Klage über den Verlust an Gemeinsinn ist berechtigt. Aber es ist nicht nur der Bürger angesprochen, der seiner Individualität frönt, sondern es sind auch die Unternehmen und gesellschaftlichen Institutionen in die Pflicht zu nehmen, deren Existenz nicht zum Selbstzweck der Maximierung von Gewinnen, Einschaltquoten und Stimmanteilen entarten darf. Was die Großen nicht vorleben, können sie von den Kleinen nicht erwarten.

Durch diese Konstellation entsteht, zumindest teilweise ungewollt, eine gegenseitige Blockade, sich zu engagieren. Es würde schon genügen, diese Blockade an einigen Stellen zu durchbrechen, so daß Erfolge als Vorbild fungieren können, um die noch Zögernden mitzureißen.

3.3 Ein Audit zum System

Probleme der innovativen Umsetzung haben ihre Wurzeln nicht nur in Bereichen der sachlichen Abwägung von wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen für einzelne Gruppierungen. Fehlende Informationen, auch Fehlinformationen, mangelnde Aufklärung und nicht ausreichende Vorsorge zur Akzeptanz der Innovationen spielen eine Rolle. Blockaden ergeben sich - teilweise auch unbewußt - aus generellen Einstellungen zur Gesellschaft. Es muß ein Audit zum System der Wirtschaft und Gesellschaft gewagt werden.

Das System, dem die reichen und entwickelten Industriegesellschaften ihren Wohlstand verdanken, ruht auf den Säulen "Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft". Nicht die Verfolgung der freiheitlichen Wertvorstellungen beschert Probleme, sondern diese resultieren aus Verstößen gegen die freiheitlichen Errungenschaften: Die Transparenz der Märkte wird außer Kraft gesetzt oder unterlaufen! Den de jure gegebenen demokratischen Freiheiten des Bürgers wird de facto nicht Rechnung getragen! Das Rechtssystem wird zur Durchsetzung von Interessen mißbraucht!

Im Grundgesetz heißt es: Die demokratischen Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit. Dem Bürger wird im Rhythmus der Wahlperioden eine Stimme gewährt. Um sie zu gewinnen, wird ein Wahl-"Kampf" geführt. Der Bürger will nicht umkämpft sein, sondern mit Vertrauensbeweisen umworben werden. Zum Vertrauen gehören Wahrheit und Fürsorge, Akzeptanz des anderen und die Chance zur Entfaltung. Der und die Umworbene schätzen auch Phantasie zur Entfaltung und Festigung einer Beziehung.

Die Wahrheit ist, es müssen Opfer gebracht werden. Die Fürsorge muß den eigenen Kindern, damit den zukünftigen Generationen gelten. Akzeptanz heißt, alle Menschen in der Gemeinschaft zu integrieren. Eine Chance für die Entfaltung liegt in der Partizipation des Bürgers bei der politischen und wirtschaftlichen Gestaltung. Der angesprochene Komplex rüttelt nicht an Fundamenten des Systems, wohl aber werden Positionen in Frage gestellt.

3.4 Die Herausforderung Komplexität

Die in der programmatischen Skizzierung angeführten allgemeinen und spezifischen Aufgabenstellungen sind von hoher Komplexität. Die angemessene Bewältigung von Komplexität ist allein schon ein Problem. Das übliche und bewährte Verfahren der Reduktion von Komplexität durch Portionierung der Aufgabenstellungen versagt angesicht der Interdependenz der Herausforderungen. Expertise, die zweifelsohne zu allen einzelnen Aufgaben vorhanden ist, integriert sich nicht durch Summation. Die Aufgaben müssen im Zusammenhang gesehen werden.

Es fehlt an Einrichtungen, die dazu notwendige interdisziplinäre Kommunikation zu organisieren. Nicht nur Experten, sondern auch die Betroffenen müssen Gelegenheit haben, sich daran zu beteiligen. Die Bearbeitung derart komplexer Problem- und Aufgabenstellungen bedarf entsprechend komplexer Lösungssysteme.

Die angesprochenen Gruppierungen müssen in verstärktem Ausmaße zueinander finden und gemeinsam an der Lösung der Zukunftsaufgaben arbeiten. Das Neue, die von allen akzeptierte Lösung, entsteht nicht in den isolierten Hauptströmungen der Expertise in Wissenschaft und Praxis, sondern eher in Grenzbereichen, wo Gruppen aus unterschiedlichen Kulturen zusammentreffen.

3.5 Gemeinsame Anliegen vor Ort konkretisieren

Große Hoffnungen werden - mit Recht - mit der Informationstechnik verbunden. Man sagt, die Industriegesellschaft wandle sich zur Informationsgesellschaft. Der Faktor "Wissen und Information" wird mehr und mehr als zukunftsentscheidend angesehen (Informatisierung). Technologieparks (VDI-Technologiezentrum, 1993) und Wissenschaftszentren werden gegründet und gefördert. Es wird eine Infrastruktur für den Informationsaustausch als weltumspannendes Netz geschaffen (Telematisierung).

Das ist notwendig, aber nicht hinreichend.Es ist nicht damit getan, weltweit in zigtausend Datenbanken Wissen recherchieren zu können. Es bedarf, um Probleme lösen zu können, der adäquaten Erschließung, Aufbereitung und Vermittlung von Wissen.

Die Gesellschaft muß eine neue Orientierung erarbeiten und zwischen vielen Beteiligten und Betroffenen vermitteln. Drei Gruppen müssen sich mit den Erfordernissen der zukünftigen Entwicklung auseinandersetzen: die Unternehmer, die Kommunen und die Bürger als Betroffene der Entwicklung. So verschieden die Interessenlagen der drei Gruppen sein mögen, sie treffen konkret und konzentriert in der Stadt als Ort des Geschehens zusammen.

Was Unternehmer, Kommunalverantwortliche und Bürger verbindet, ist der gemeinsame Informationsbedarf, den sie haben, um ihren erweiterten Rollen und den komplexen Aufgaben der Zukunft gerecht werden zu können. Die bisher isoliert verfolgten Anstrengungen und Engagements lassen sich am besten gemeinsam verfolgen.

3.6 Die Polis als Modell der Begegnung

Es bedarf einer Wiederbelebung der Polis in zweifachem Sinne des Begriffs. Es bedarf einer Wiederbelebung der politischen Kräfte (die Betonung liegt auf der), die in der Lage sind, Orientierung zu stiften und weiterreichende fundamentale Engagement zu initiieren, zu beflügeln und zu bündeln. Und es bedarf einer Wiederbelebung der Polis als Ort der Begegnung. Die Beteiligten brauchen ein Forum, wo sie sich treffen können, und urbane Einrichtungen, wo sie gemeinsam an der Gestaltung der Zukunft arbeiten können.

Beides bedingt einander: Eine von vielen getragene Politik entsteht in der Polis und die Politik wirkt auf die Ausgestaltung der Polis zurück. Die Kräfte einer lebendigen Urbanität müssen wiederbelebt werden.

Die Polis nach dem Vorbild der Antike ist ein überschaubares Gemeinwesen. Das Forum der Begegnung dient dem Diskurs und fungiert als gemeinsames Gedächtnis. Nichts bleibt verborgen. Alles, was die Menschen bewegt, konnte direkt verhandelt werden.

An einem solchen Modell der wiederbelebten Polis kann jede Gruppierung im Spiegel der Meinungen der anderen ihren Standort mit Rechten und Pflichten neu bestimmen. Alle Beteiligten können lernen, miteinander konstruktiv zu kommunizieren. Das schließt unangenehme Wahrheiten nicht aus. In der ersten Phase ist es sogar viel wichtiger, den Dissens in der Beurteilung einer Sachlage gemeinsam herauszuarbeiten. Die Polis ist zunächst nicht mehr als eine Lern-Stadt, um zu lernen, wie man lernt, und um zu lernen, wie man hilft.

4. Anlage und Gestaltung von Wissensstädten

4.1 Die Wissensstadt in natürlicher und künstlicher Realität

Die Infrastruktur des Wissens in den Kommunen und Unternehmen wird neu zu gestalten sein, zumindest zu erweitern und zu verbessern sein. Das beginnt mit der Erweiterung und Bereicherung der Angebote für die Aus- und Weiterbildung und kann bis zu einer Neugestaltung zweckgerechter urbaner Einrichtungen für die Unternehmen, die Kommunen und die Bürger führen.

Diejenige Gemeinschaft aus Unternehmern, Bürgern und Kommunalverantwortlichen, die den bevorstehenden Wandlungsprozeß bewußt mit Orientierung an einem Leitbild gestaltet, gewinnt einen Standortvorteil. Es soll versucht werden, die Chancen, die in der organisatorischen und baulichen Ausgestaltung liegen, zu verdeutlichen.

Das Vorbild ist in jedem Falle die echte Stadt (Benevolo, 1993). Sie repräsentiert sich bereits als Stadt mit Wissen an sich und über sich in einem Kontext, dem sie in ihrem gesamten Erscheinungsbild und ihrer aktiv nutzbaren Erlebniswelt Ausdruck verleiht. Manche Städte führen bewußt einen schmükkenden Beinamen.

In einer Stadt werden in natürlicher Realität spezielle Ereignisse angeboten und wahrgenommen werden: Arbeitsmöglichkeiten, Einkaufsangebote, Dienstleistungen, Veranstaltungen, Unterricht, Ausstellungen usw., meist in Verbindung mit der Begegnung anderer potentieller Interessenten. Verkehrsverbindungen ermöglichen örtliche Veränderungen. Informationssysteme von einfachen Beschilderungen bis hin zu komplexen und raffinierten Arragements von Verzeichnissen leiten die Benutzer an die Orte ihres Interesses. Die reale Stadt ist ein Netzwerk und dies ist selbst Teil eines noch größeren Netzwerkes des Verbundes vieler Städte. Dieses Vorbild läßt sich in zweifacher Weise für die Anlage und Gestaltung einer Wissensstadt nutzen.

(1) Wenn sich eine Stadt zusätzlich auf eine bestimmte Problem- und Aufgabenstellung spezialisiert, dann kann sie dies im Erscheinungsbild und in der Erlebniswelt verstärkt zum Ausdruck bringen. Dazu gehört ein entsprechendes Angebot an Ereignissen, auf das verstärkt und attraktiv hingewiesen wird. Ferner läßt sich das Stadtbild bis hin zu den Schaufenstern der Geschäfte ausschmücken und ausgestalten. Urbane Einrichtungen werden für erweiterte Nutzungszwecke zur Verfügung gestellt, langfristig werden sogar völlig neue Einrichtungen als Begegnungsstätten geschaffen.

(2) Eine Wissensstadt zu einem Thema kann in der skizzierten Art auch in künstlicher Realität angelegt und ausgestaltet werden. Der Raum für die Gestaltung erweitert sich. Eine Wissensstadt kann mit begehbaren Gebäuden an Straßen und Plätzen, nach Stadtvierteln geordnet, in einer eigenständigen Topologie bis hin zu einer landschaftlichen Umgebung als Animation simuliert werden. Auf diese Weise läßt sich ergänzend noch ein elektronisches Netzwerk der Wissensstädte schaffen.

Entscheidend für die Realisation des Leitbildes "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" ist der doppelte Plural:

(1) Nicht eine alles Wissen umfassende Stadt ist anzulegen und auszugestalten - ihr droht das informationale Babylon, sondern es ist ein Netzwerk von Wissensstädten zu schaffen, dessen Teile spezifischen Aufgabenstellungen gewidmet sind, die aber nach dem Vorbild der Realität von Städten zusammenwirken, miteinander kooperieren, aber auch konkurrieren.

(2) Die Wissensstädte sind als Begegnungsstätten zu gestalten, wo Beteiligte und Betroffene einander begegnen und miteinander arbeiten können. Zu allen grossen Problem- und Aufgabenstellungen der Gesellschaft sind Begegnungsstätten einzurichten, deren Zusammenwirken ergänzend über das elektronische Netzwerk organisiert wird.

Im Sinne dieses doppelten Plural können einerseits Kommunalverantwortliche, andererseits Betreiber von Begegnungsstätten, auch auf erwerbswirtschaftlicher Grundlage, aktiv werden. Das Anliegen der Kommunen kann sein, daß sie die eigene Stadt im Hinblick auf eine Themen- und Aufgabenstellung mit erweiterten Angeboten attraktiv machen, möglicherweise sogar in einem Stadtgebiet das Erscheinungsbild einer Wissensstadt realisieren. Das Anliegen der Betreiber von Begegnungsstätten würde sein, bestehende Einrichtungen hochzurüsten und zu erweitern und für neue Einrichtungen günstige Standorte zu erlangen.

4.2 Einen Prozeß entfalten

Sind erste derartige Orte der Begegnung einmal eingerichtet, so ziehen sie weitere Aktivitäten an. Der Initiative und Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Zukunftswerkstätten, interdisziplinär arbeitende Gruppen und Künstler können eine Heimstatt finden. Querdenker und Spinner werden sich hinzugesellen. Es versammelt sich Wissen. Es entsteht eine "Stadt des Wissens als Stätte der Begegnung". Der Bürger kann mitwirken, lernen und sich selbst engagieren. Szenarios werden gemeinsam entworfen. Es ist ein Weg zur aktiven Aufklärung und für einen schnellen Informationstransfer.

Es entsteht die notwendige "heiße Mischung" für Kreativität wie einst im Silicon Valley. Zielrichtung ist die "Produktivität des Geistes"! Nicht allein Technik, sondern auch der Umgang mit Information und Wissen sind Themen der Auseinandersetzung im Hinblick auf die fundamentalen Innovationen.

In den Werkstätten des Wandels können Vertreter der Unternehmen als Lieferanten und Kunden und Repräsentanten der Kommunen als Dienstleister und Nutzer der Problemlösungen und die Bürger als Betroffene gemeinsam miteinander arbeiten.

Zur Bewältigung von Komplexität werden neue Wege ausprobiert und Erfahrungen gesammelt. Durch die Organisation der Begegnung von unterschiedlichen Wissenskulturen ergeben sich vielfältige Befruchtungen. Die Wissensstadt entwickelt sich zum innovativen Gestaltungsinstrument.

Mit der Orientierung der Wiederbelebung der Polis wird zwangsläufig weiteres kulturelles Erfahrungsgut aktiviert. Die Künstler werden nicht zögern, auch die Wissensstadt, in der sie leben und arbeiten, selbst auszugestalten und dabei dem Kontext der Zukunftsgestaltung Ausdruck verleihen. Das beginnt mit der Ausgestaltung von Räumlichkeiten und kann fortgesetzt werden in der Gestaltung von Fassaden bis hin zum Neuentwurf baulicher Ensembles. Auch die Medienarchitektur bietet neue Formen der Repräsentation.

Diese Chance läßt sich praktisch nutzen, um komplexe Sachverhalte und Wirkzusammenhänge - wie in alten Zeiten, als die Menschen nicht lesen und schreiben konnten - zu veranschaulichen. Im Zusammenwirken aller Erfahrungsträger können neue Formen der Repräsentation von Wissen zur Veranschaulichung auch immaterieller Sachverhalte entwickelt werden. In der Welt der Kultur, von der Antike bis zur Neuzeit, findet sich Anschauungsmaterial vielfältiger Art, das in Analogie Anregungen bietet.

Noch ist es eine gewagte Idee für eine Wunschvorstellung. Aber Wünsche von heute können Fakten für morgen werden. Städte des Wissens zu bauen, die aktuell und auch virtuell als Stätten der Begegnung aufgebaut und ausgestaltet werden könnten, ist mehr als eine interdisziplinäre Herausforderung. Das Vorhaben ist ein Ansatz zum Wandel und auf Sicht eines der größten Arbeitsbeschaffungsprogramme in der globalen Gemeinschaft. Vielleicht gelingt es, eine Koalition aus "Geist, Macht und Geld" zu schmieden.

In dem sich entfaltenden evolutionären Prozeß ist ein Potential für einen (weiteren) qualitativen Sprung angelegt, dessen Ergebnis und Wirkung durch das Leitbild "Städte des WIssens als Stätten der Begegnung" charakterisiert werden. So lassen sich zwei Zielsetzungen erfüllen:

(1) Den Menschen in verschiedenen Verantwortungen und Rollen wird im Rahmen einer Wissensstadt Gelegenheit zur persönlichen Begegnung geboten, um gemeinsam an Problemlösungen als Beteiligte und Betroffene arbeiten zu können.

(2) Mit dem Erscheinungsbild und der Erlebniswelt einer Stadt als Wissensstadt werden komplexe Sachverhalte und Wirkzusammenhänge auch immaterieller Art veranschaulicht. Es wird Kontextwissen zur Orientierung und für die Ordnung von Wissensbeständen angeboten.

Auf diesem Wege werden die natürliche Realität und die künstliche Realität jede füreinander Vorbild für die Gestaltung. Die Gestaltungsüberlegungen gründen auf gemeinsamen kulturellen Wurzeln.

Die Zelle "Begegnungsstätte" erfährt in der Realität eine zweifache Einbettung. Sie gehört zwei Welten an, die in der weiteren Entwicklung mehr und mehr verschmelzen werden:

- In einer Stadt in natürlicher Realität ist die Begegnungsstätte ein Treffpunkt, der in einem Stadtgebiet lokalisiert ist. Dieses Stadtgebiet kann selbst im Erscheinungsbild einer Wissensstadt ausgestaltet sein.

- Im elektronischen Netzwerk ist die Begegnungsstätte eine Adresse, von der aus die elektronischen Welten und andere Begegnungsstätten angewählt werden können. Die elektronischen Welten sind selbst wieder als Wissensstädte gestaltbar.

Die urbane Kultur von der Antike bis zur Neuzeit bietet vielfältige Anregungen für die Umsetzung. Die Agora oder das Forum als Orte der Begegnung sind wiederzubeleben. Es sind Stätten der Begegnung für unterschiedliche Nutzungszwecke einzurichten. Mit dem Theater kann Wissen in Szene gesetzt werden. Für die Veranschaulichung immaterieller abstrakter Sachverhalte finden sich Vor-Bilder in vielen Stadien der kulturellen Entwicklung.

4.3 Den Fundus der Kulturen nutzen

Rückbesinnung auf altes Kulturgut

Ein gemeinsames Problem aller Anstrengungen zur Erschließung, Aufbereitung und Vermittlkung von Wissen ist die Unanschaulichkeit komplexer, abstakter Sachverhalte und Wirkzusammenhänge. Und hier kann und muß wirklich etwas Neues gewagt werden und mit breiter Wirkung in den Dienst der aktiven Zukunftsgestaltung gestellt werden.

Als die Mehrzahl der Menschen noch nicht lesen und schreiben konnte, wurden über Bilderwelten in allen Kulturen äußerst komplexe Sachverhalte vermittelt. Die dreidimensionale Welt der natürlichen Realität wurde nicht nur über die Perspektive in Bildern eingefangen, sondern auch genutzt, komplexe gesellschaftliche Anliegen durch Symbole und Metaphern, Märchen und Mythen, figürliche Allegorien, Skizzierungen von Körpersprache und Topologien weiterzugeben. Die Repräsentation von Wissen, auch abstrakter Art, erfolgte auf anschauliche Weise in der Kunst. Kunstwerke repräsentierten den Kanon (Assmann, 1992). Auch in der Gestaltung von baulichen Ensembles aller Epochen wurde Wissen zum Ausdruck gebracht: Ausschmückung von Fassaden und Portalen, Toren und Brunnen, Obelisken und Denkmälern mit Ornamenten, Reliefs und Figuren.Durch Anschauen und Kommentar wurde Wissen erschlossen und vermittelt.Es wurde Wissen in Szene gesetzt wie in einem Theater.

Der Dualismus von Bild und Sprache

Die Sprache war bilderreich. Ihre Wurzeln lagen im Schauen der erlebbaren Welt, die Ursprünge der Schrift waren Bilder. Die Weiterentwicklung von Sprache und Schrift in der Antike führte zwar zu Abstraktionen, verzichtete jedoch nicht auf das Bildhafte. Die im hohen Ansehen stehende Gedächtniskunst der Rhetorik nutzte die einprägbaren Raumstrukturen eines Gebäudes, um sich der Argumentationskette einer Rede zu erinnern. Die unmittelbare Begegnung auf dem Forum prägte den Diskurs. Es wurden regelrecht Frage-Antwort-Spiele zelebriert. Im Theater wurde Wissen über höchst komplexe Sachverhalte, auch abstrakter Art, mit Sprachbildern in Szene gesetzt: Stücke, die heute noch zu begeistern vermögen. Diese Traditionen wurden in vielen Bereichen bis auf den heutigen Tag fortgeschrieben.

Parallel dazu, insbesondere mit der Verbreitung des Buchdrucks, entwickelte sich eine Sprache mit immer abstrakteren Formen. Während die Kunst und die Technik das Bildhafte beibehalten, gepflegt und weiterentwickelt haben, ist es in den Sozial- und Geisteswissenschaften verblaßt und teilweise ganz verschwunden.

Mit der Weiterentwicklung von Sprache und Text zu immer komplexeren Formen der Abstraktion mit all ihren Vorteilen, wobei sich das Bildhafte in der Sprache erhalten hat, war es nicht mehr in gleichem Umfange erforderlich, auch immaterielle Sachverhalte durch Anschauung zu vermitteln. Sprache und Text dominieren, zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften und auch in der politischen Gestaltung der Gesellschaft.

Ein wissenschaftlicher Diskurs zwischen Spezialisten, auch über brennende, allgemein interessierende gesellschaftliche Probleme, ist von Dritten, damit auch anderen Spezialisten, kaum noch zu verstehen: wegen der Sprache, aber auch wegen der Komplexität der Sachverhalte. Der Fortschritt hat der Gesellschaft - um im Bild zu bleiben - ein "informationales Babylon" beschert. Der Verzicht auf Anschaulichkeit hat sich nicht bewährt.

Bilder sagen mehr als Worte

Dabei sagen Bilder mehr als Worte. Das "mehr als" besteht im Erfassen von komplexen Sachverhalten und Wirkzusammenhängen auf einen Blick. Das Schaubare bietet Kontextwissen zu den Objekten der Betrachtungen, das sich nur teilweise durch eine Erweiterung des Kommentars zum Ausdruck bringen läßt. Ein Bild ist unscharf und führt dazu, unterschiedliche Akzente bei Interpretationen zu setzen. Es aktiviert - teilweise unbewußt - mentale Potentiale beim Betrachter. Dadurch wird Phantasie freigesetzt und Kreativität mobilisert. Es werden Assoziationen erzeugt und Analogien angeregt, was zu anderen und erweiterten Einsichten führt.

Durch die Veranschaulichung komplexer Sachverhalte und Wirkzusammenhänge läßt sich zusätzliche Information gewinnen, um Komplexität bewältigen zu können. Eine Veranschaulichung ist leichter bei in Natur und Technik anschaubaren Dingen der natürlichen Realität. Eine bildhafte Wiedergabe ist schwieriger bei abstrakten, immateriellen Sachverhalten. Sie muß sich des Symbolhaften, des Schematischen und/oder der analogen Darstellung unter Nutzung vertrauter Bilder bedienen.

Angesichts der zunehmenden Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge lohnt es sich, weitergehende Versuche zu wagen. Galilei's Botschaft kann Vor-Bild sein: "Messen, was meßbar ist, und was nicht meßbar ist, meßbar machen." Das bedeutet in Analogie: Anschaubar machen, was anschaubar ist, und was nicht anschaubar ist, anschaubar machen.

Mit der zunehmenden Integration der Medien-, Computer- und Kommunikationstechnik steht zum ausgehenden 20. Jahrhundert ein Potential zur Verfügung, wieder in verstärktem Umfange "multimedial" zu kommunizieren. Es stehen der Gesellschaft (wieder) beide Formen der Kommunikation zur Verfügung: die bildhafte Sprache und die Sprache der Bilder selbst. Allerdings muß die Gesellschaft der Verführung einer einseitig genutzten Elektronik widerstehen. Neben der elektronischen Kommunikation über Netzwerke muß die persönliche Kommunikation durch Begegnung in ausreichendem Maße gepflegt werden.

Es bietet sich an, die modernen Ausdrucksformen der "Medienkunst" und "Medienarchitektur" (Thomsen, 1994) mit den Formen- und Bildsprachen der alten Kulturen zu kombinieren. Im Angesicht des Bildhaften fangen die Gedanken an, neue Wege zu gehen.

Bei der Vergangenheit in die Schule gehen

Die Welt der Kultur ist reich an Beispielen zur Veranschaulichung komplexer Sachverhalte. Ägyptische Tempel waren an Wänden, Decken, Fußböden und an allen architektonischen Ausprägungen reich mit Bildern ausgeschmückt. Sie vermittelten, was Rechte und Pflichten jedes einzelnen waren bei der Bestellung der Felder, der Pflege der Planzen und der Ernte der Früchte im Zyklus der Jahreszeiten in Abhängigkeit von den Überschwemmungen des Nils.

Auch die Anlage einer Stadt symbolisierte einen Kontext: den Anspruch von Macht und Herrschaft, aber auch die Pflicht der Herrschenden zur Fürsorge und Gerechtigkeit. Ansprüche und Leistungen wurden auf Prachtstraßen durch einprägsame Reliefs auf Fassaden ,durch Denkmäler und Standbilder, durch Obeliske und Triumphbogen repräsentiert. Von den Herrschenden wurde der Kontext der Gesellschaft durch die Anschaubarkeit von Symbolen in der vertrauten Welt des Dreidimensionalen vermittelt. Diese Form der wissensvermittelnden Veranschaulichung kann heute noch in der Anlage vieler Städte aus der Zeit erster Gründungen und Eroberungen, dem Mittelalter, der Reaissance, dem Barock bis hin zur Neuzeit studiert werden.

Die Metapher des Raumes hat mit zunehmender Auseinandersetzung mit abstrakten Sachverhalten bei erweiterter Komplexität auch die Gedächtniskunst der Antike geprägt. Die Struktur eines Gebäudes wurde benutzt, um sich die Reihenfolge der Argumente bei einer Rede zu merken.

Auch in der Renaisseance wurden bauliche Anordnungen und Fassaden genutzt, um Wissenszusammenhänge zu verdeutlichen. Grundprinzipien der Malerei hat Giovanni Lomazzo (1538 - 1600) - ohne es zu zeichnen - am Sinnbild des Tempels dargelegt. Auch Robert Fludd hat auf einer Fassade die ihm bekannten Zusammenhänge der Harmonielehre veranschaulicht.

Die Gedächtniskunst der Griechen hat Camillo zum Design eines Gedächtnistheaters inspiriert (Yates, 1991). Camillo organisierte eine einprägsame Gedächtnisordnung, indem er sich ein Amphitheater vorstellte. Das Wissen, repräsentiert durch Bilder und Kommentare, ordnete er unter Rückgriff auf die kulturellen Vorstellungen der Antike und seiner Zeit nach Sektoren auf den Rängen an, und er versetzte sich selbst auf die Bühne. Die Wissensordnung vor Augen war er fähig, fundierte Auskünfte zu erteilen, Diskussionen zu führen und auch viel beachtete Vorträge zu den Themen der Zeit zu halten. Er hat das Gedächtnistheater als Miniatur in Holz gebaut: ein Hypersystem!

Es lohnt also eine Rückbesinnung auf altes Kulturgut der archaischen Gesellschaften, der Antike, der Kirchenkunst, der Renaissance und wo immer sich Anregungen finden lassen. Mit einer Stadt des Wissens muß wieder eine Integration versucht werden. Mehr noch, es muß Begegnung zwischen Menschen so organisiert werden, daß sie sich in der Auseinandersetzung um eine Verständigung bemühen. Sie brauchen Orientierung.

4.4 Die Vision für die Informationsgesellschaft

Es muß eine Vision für die Informationsgesellschaft vermittelt werden. Eine Vision läßt sich durch eine tragende Idee, die Ideenträger und die zu mobilisierenden Stärken beschreiben. In dieser dreifachen Ausprägung läßt sich das Anliegen zusammenfassend charakterisieren:

- Die tragende Idee ist die "Wiederbelebung der Polis" in der doppelten Bedeutung des Wortes: als Wiederbelebung der Politik und der Orte, wo Politik gemacht werden kann.

- Ideenträger sind die Städte des Wissens als Stätten der Begegnung entsprechend dem skizzierten Leitbild.

- Die zu mobilisierenden Stärken werden durch das Potential der Urbanität repräsentiert.

Diese drei Faktoren wirken multiplikativ zusammen. Ihre Inhalte sind generell kommunizierbar und praktisch über den Ideenträger gestaltbar. Es läßt sich eine Strategie der mehrfachen Optionen entwickeln und verfolgen: Es können potentielle Interessenten aus unterschiedlichen Bereichen jeder für sich aktiv werden und jeweils wahlweise bei der praktischen Realisierung von Örtlichkeiten mit ihren Wissensgütern ansetzen und/oder als Multiplikatoren bei der Verbreitung des Leitbildes wirken.

Bottom up bietet es sich an, in einer Organisation mit der Realisierung einer Begegnungsstätte zu beginnen. Top down läßt sich von Institutionen und durch Kooperation potentieller Interessenten langfristig das Netzwerk des Wissens planen.

4.5 Zielgruppen und denkbare Initiativen

Das Leitbild ist an mehrere Zielgruppen adressiert:

(1) die Unternehmen im Problemlösungsgeschäft, die sozio-technische Problemlösungen zu realisieren haben

(2) die Kommunen als Fokus der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung

(3) potentielle Betreiber von Wissensstädten mit ihren Applikationen im Netzwerk der natürlichen und künstlichen Realität

(4) potentielle Betreiber von elektronischen Netzwerken für Applikationen

(5) Unternehmen, Organisationen und Institutionen als potentielle Interessenten für Lieferungen und Leistungen für die Anlage, die Gestaltung und den Betrieb von Wissensstädten mit all ihren Applikationen und den benötigten Waren und Netzwerken

(6) last not least staatliche Stellen mit übergreifenden Aufgaben zur Entwicklung von Zielsetzungen und Strategien und zur Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für die zukünftige Gesellschaft

Mitglieder der einzelnen Zielgruppen können in mehreren Rollen aktiv werden. Sie können sich Wissensstädte schaffen, die jeweils ihren eigenen Problem- und Aufgabenstellungen gewidmet sind und sie können Wissensstädte für Kooperationen und öffentliche Zwecke einrichten und betreiben.

Im Eigenbetrieb können in die Aufgabenstellung involvierte Gruppen wie Kunden und Lieferanten, Multiplikatoren aller Art, potentielle Interessenten und Bürger eingebunden werden. Es entsteht eine Stätte der Begegnung.

Teile des erarbeiteten Wissens können in den kooperativen und öffentlichen Betrieb eingebracht werden. So entsteht das Netzwerk der Wissensstädte in einem evolutionären Prozeß der gemeinsamen Kooperation.

Was ohnehin für eine bewußte Zukunftsgestaltung auf herkömmlichen Wegen gemacht werden müßte, wird gebündelt und integriert. Die Nutzer einer Wissensstadt erlangen einen schnellen Zuwachs an Informationen. Es entstehen Netzwerke in den Organisationen und organisationsübergreifend. Es entfaltet sich eine neue Innovationskultur.

Denkbar wäre, daß Kommunen gemeinsam mit großen Organisationen ihre Kräfte jeweils auf die Gestaltung einer Wissensstadt konzentrieren, die einem bestimmten Thema gewidmet ist.

Die Kommune ist Sitz der Wissensstadt. Die Kommune ist verantwortlich für den Betrieb, der auch als Auftrag an einen Betreiber vergeben werden kann. Die örtliche Wissensstadt kann von allen anderen besucht werden und auch über das elektronische Netzwerk angesprochen werden. Duplikationen für einen dezentralen Betrieb in natürlicher und künstlicher Realität sind möglich.

4.6 Die Pilotapplikation: XENIA, Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft

Es würde der Komplexität des Sachverhaltes entsprechen, wenn dieser bereits in der Form einer Wissensstadt präsentiert werden würde. Die Eröffnungsinitiative lädt ein, einen Besuch in der Wissensstadt XENIA in Gedanken zu wagen (Volkmann, 1994 c). Der Stadt- und Reiseführer gibt einen ersten Überblick. Dort wird an einer Stelle erklärt:

"Das Stadtgebiet von XENIA umfaßt neun Stadtviertel, wobei das auf der Bergkuppe gelegene Zentrum von den acht anderen Stadtvierteln in unterschiedlichen Höhenlagen umgeben ist. Diese topologische Lage symbolisiert den vernetzten Prozeß der Erschließung fundamentaler Innovationen in seiner Komplexität zunächst auf schematische Weise. "

Den Stadtplan vor Augen ist die Verführung groß, als erstes das Zentrum in der Erwartung zu besuchen, daß dort auf alle offenen Fragen Antworten zu finden sein werden. Das ist zwar der Fall, aber die Frage ist, ob ohne die Betrachtung eines erweiterten Kontextes die Antworten leicht zu verstehen sind. Der Betrachter wird nämlich Opfer des hermeneutischen Dilemmas: Das Ganze ist nur zu verstehen, wenn man die Teile versteht, und die Teile sind nur zu verstehen, wenn man das Ganze versteht.

Gründliche Vorbereitung des Besuchs zahlt sich deshalb aus. Der vorbereitete Besucher weiß, wo er was findet, und er könnte es mit Hilfe einer kleinen Tabelle auch weiteren Interessenten erklären.

Die Bezeichnungen der einzelnen Stadtviertel signalisieren Botschaften, die im Kontext der Erschließung fundamentaler Innovationen zu beachten sind, und die Stadtviertel repräsentieren zugleich wichtige Stationen, die in dem komplexen, vernetzten Prozeß immer wieder auf verschiedenen Wegen anzulaufen sind. Auf diese Weise werden im Wechsel in den einzelnen Stadtvierteln unter Nutzung spezifischer Denk- und Arbeitsmethoden die jeweiligen Dokumente erarbeitet, die für die Erschließung fundamentaler Innovationen gebraucht werden.

Die Tabelle führt in die Systematik des Leitbild-Managements ein, nach dem kontextuelle Zusammmenhänge für fundamentale Innovationen systematisch aufbereitet werden. In diesem Sinne kann XENIA für die Erschließung fundamentaler Innovationen im Problemlösungsgeschäft generell genutzt werden.

Stadtviertel Botschaft Dokumente

A Annäherung die Betroffenen Erfordernisse,

einbeziehen Anforderungen

B Inszenierung Wissen in Szene setzen Leitbild-Szenario

wie in einem Theater

C Kontexte Kontextwissen als Orien- Kontext-Szenario

tierungs-, Ordnungs- und

Metawissen verstärkt

nutzen

D Kontakte Die Interferenz der Wis- Handlungs-Szenario

senskulturen fördern

H Zukunft Von der Zukunft her Applikationen-

denken Szenario

E Führung "Unternehmerische "Das unternehme-

Zeichen setzen" rische Programm"

F Methoden Adäquate Methoden Methodenrepertoire

nutzen

G Wert schöpfung Wissen integrieren Portfolio für Inno-
vationen

Z Zentrum Das hermeneutische Synopsis

Dilemma beachten

Um den notwendigen weiten Kontext erschließen zu können, lohnen des weiteren Abstecher und Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung: Neue Ideen werden meist nicht im Zentrum, sondern in den Randbereichen des Geschehens geboren oder aufgespürt. Plastisch ausgedrückt: Die kleinen Garagenfirmen, die einmal das Silicon Valley begründet haben, sind in der Informationsgesellschaft Denkzellen, die eher in Gartenlauben und Dachstübchen zu finden sind. Der Weg führt unter Nutzung geeigneter Methoden zu Orten, die dem unternehmerischen Handeln zunächst nicht naheliegen, es aber bereichern können. Die dem Überblicksbild entnehmbare Botschaft ist, nicht nur in dem Dreieck "Zentren der Geschäftigkeit, Inseln der Technik und Zentren der Wissenschaft" Zukunftsüberlegungen anzustellen, sondern auch Utopien, sogar Mythen, Kunst und Kultur, philosophische Reflexionen, die Betroffenheit der Wirklichkeit und Politik und Geschichte einzubeziehen.

Schon das Studium einiger weniger Bücher, die in diesen Bereichen kontextuell angesiedelt sind, vermag neue Horizonte zu eröffnen, von denen aus wieder auf das Zentrum, den Fokus der fundamentalen Innovationen, zustrebend, sich praktisch relevante Sachverhalte mit der Systematik des Leitbild-Managements erschließen lassen.

Doch noch ist XENIA nicht gebaut! Die Anlage und Gestaltung dieser Wissensstadt XENIA ist selbst eine fundamentale Innovation.

5. Die fortschrittsfähige Organisation im Netzwerk der Wissensstädte

5.1 Fragen fragen: Antworten ergeben sich erst aus dem Prozeß

Für die (großen) Organisationen - Unternehmen, Kommunen, Institutionen - stellt sich konkret die Frage, welcher Nutzen mit der Realisierung von Applikationen im Sinne des Leitbildes bewirkt werden kann und welche Vorteile sie selbst davon haben. Anders gefragt: Wie stehen die Chancen für eine Akzeptanz des Leitbildes und der daraus abzuleitenden Realisationen. Noch anders gefragt: Ist das Leitbild plastisch genug, ein Bild von sich selbst vermitteln und eine Leitfunktion übernehmen zu können?

Unabhängig von der Bewertung des Leitbildes stellt sich für die Organisationen die Frage, wie sie die eigene Zukunft gestalten wollen und wie sie ihr eigenes Potential für eine aktive Zukunftsgestaltung einschätzen. Und wenn diese strategische Analyse und Gestaltungsplanung vorläge, wäre zu prüfen, ob mit Hilfe der Städte des Wissens und der Stätten der Begegnung mehr bewirkt werden könnte als ohne diese Unterstützung.

Oder wäre es denkbar, daß gerade die strategische Analyse und Handlungsplanung durch die Unterstützung, die ein betriebsfähiges Netzwerk des Wissens in seinen Begegnungsstätten bietet, erleichtert und gefördert werden würde, möglichweise sogar zu ganz anderen Einsichten und Schlußfolgerungen verhilft (z.B. Synergieeffekte aus der Ökologisierung und Informatisierung)? Wäre nicht auch anzunehmen, daß die Arbeit in und mit dem Netzwerk dazu führt, das eigene Potential zur Zukunftsgestaltung, die Fortschrittsfähigkeit, zu verbessern und weiterzuentwickeln?

Akzeptable Antworten zu diesen Fragen hängen von einer ganzen Reihe von Konstellationen ab, die im einzelnen studiert werden müssen und unterschiedlich bewertet werden können. Dazu gehören Erfordernisse, wie sie in der programmatischen Skizzierung dargelegt wurden, die Notwendigkeiten zur Intensivierung der Begegnung und die Einschätzung der Machbarkeit von Applikationen im Sinne des unterbreiteten Leitbildes.

5.2 Rollen der Nutzung

Die akzeptable Beantwortung der aufgeworfenen Fragen hängt ferner davon ab, in welchen Rollen eine Organisation im Netzwerk fungieren würde:

- auf Seiten der Gebraucher von Wissen zur Lieferung von konzeptionellen Problemlösungen und dem dazu erforderlichen Equipment und Infrastrukturen für das ökonomisch-ökologische Gesamtnetzwerk

- auf Seiten der Erzeuger von Wissen und der Lieferanten von konzeptionellen Problemlösungen und das dazu erforderliche Equipment und die Infrastruktur für das Netzwerk des Wissens und der Betreiber dieser Netzwerke

Was für die zweite Gruppe ein eigenständiges Geschäft werden würde, bedeutet für die erste Gruppe Investment in die Ertüchtigung zur Fortschrittsfähigkeit. Es muß sich (langfristig!) rechen! Das ist leichter bei Investitionen in die Produktivität, das ist schwieriger bei Investitionen in die Innovativität, die Produktivität des Geistes!

Die Nutzung der Begegnungsstätten betrifft alle Wertschöpfungsbereiche mit einem hohen Anteil an komplexen, kreativen Informationsarbeiten. Dazu gehören beispielsweise:

die Entwicklung von Zielvorstellungen und Handlungsprogrammen, die Ableitung übergeordneter Strategien, die Arbeiten zur Erschließung fundamentaler Innovationen, die Überlegungen zur Analyse und Erschließung von Märkten, das Engineering im Problemlösungsgeschäft, Lehren und Lernen zur Förderung der Fortschrittsfähigkeit der Organisation, Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung an Messen und Ausstellungen, die Beteiligung an der Gestaltung von günstigen Rahmenbedingungen in dafür zuständigen Institutionen

Die richtige Entscheidung setzt Transparenz über die Nutzungsmöglichkeiten voraus. Ein gewisser "Leidensdruck" kann sich als hilfreich erweisen, um aktiv zu werden. Aber Leidensdruck allein reicht nicht für eine zukunftsorientierte Gestaltung der Fortschrittsfähigkeit aus. Es genügt nicht, durchzuführende Arbeiten danach zu beurteilen, ob sie sich schneller, billiger, einfacher und auch sicherer erledigen lassen (Rattionalisierung/Effizienz). Mit dem Netzwerk des Wissesn lassen sich auch zusätzliche und neue Erkenntnisse gewinnen, die auf anderem Wege nicht so schnell oder nicht in der Qualität erlangt werden können (Qualifizierung/Effizienz).

Die richtige Entscheidung erfordert auch Vorstellungen darüber, wie in einem eingeschwungenen Zustand die Wissensstadt als Begegnungsstätte, nicht nur als Instrumentarium, sondern auch im Geiste der "Wiederbelebung der Polis" in die Wertschöpfungsprozesse optimal integriert wird. Diese Vorstellungen werden mitbestimmt von dem Bild, das die Organisation von sich selbst, von ihrer Wirkweise und ihren Wirkungen nach aussen und innen im Ist-Zustand und Soll-Zustand hat.

5.3 Gestaltung und Nutzung einer Wissensstadt in der eigenen Organisation

Nutzungsmöglichkeiten

In dem sich entfaltenden Netzwerk der Wissensstädte kann jede Organisation eine eigene Begegnungsstätte mit dem Charakter einer Wissensstadt und als Teil des Netzwerkes schaffen und im Netzwerkverbund als Miniatur und/oder elektronische Realisation betreiben.

In der Begegnungsstätte lassen sich Aktivitäten der Unternehmenskommunikation nach außen und innen, des Arbeitens an Strategien und Innovationen, auch der Lehr-/Lernbetrieb und die Wissensrecherche integrieren und gleichzeitig mit dem Betrieb des elektronischen Netzwerkes dezentralisieren. Innovationsmanagement wird schon im Vorfeld systematisch betrieben (Leitbild-Management).

Der Nutzer erlangt Wissen über sein geschäftliches Umfeld auf systematische Weise und in einer fortschreibbaren Form. Er kann aufgrund des Wissens frühzeitig handeln und sogar mit diesem Wissen handeln. Es entsteht ein kollektives Gedächtnis für die Organisation: "Die Organisation weiß, was sie weiß!"

Der Nutzer kann für jedes Bedarfsfeld des Problemlösungsgeschäfts mit Hilfe der Systematik des Leitbild-Managements seine Szenarien entwickeln, ein eigenständiges Leitbild für seine Geschäfte schaffen, das unternehmerische Programm definieren und das Portfolio für Innovationen ableiten.

Das ohnehin notwendige Lernengagement einer großen Organisation läßt sich mit einem erweiterten Potential der Zukunftsgestaltung kombinieren. Bisherige Aktivitäten lassen sich integrieren, sind jedoch umzustrukturieren und auszubauen.

Zielsetzungen

Die Gestaltung der Begegnungsstätte in der eigenen Organisation läßt sich zusammenfasend an folgenden Zielsetzungen orientieren:

(1) Verbesserung und Steigerung der Fortschrittsfähigkeit der eigenen Organisationen: Aus- und Weiterbildung; Kommunikationsfähigkeit im Unternehmen; neue Arbeitsplätze; Application Engineering und Information Engineering; kreative Gestaltung

(2) Erschließung fundamentaler Innovationen für die Problemlösungsgeschäfte, ggf. mit spezieller Ausrichtung an den Erfordernissen der Ökologisierung: Ziele; Strategien; Programme

(3) Erschließung fundamentaler Innovationen für die Beteiligung am Netzwerk des Wissens

(4) Beteiligung oder Federführung bei der Anlage und Gestaltung sowie der Einrichtung und dem Betrieb von Wissensstädten

Es kann mit ersten kleinen Schritten, z.B. im Bereich der Weiterbildung in Verpflichtung zum lebenslangen Lernen begonnen werden. Weitere Anwendungsbereiche lassen sich evolutionär integrieren. Auf Sicht gesehen entsteht etwas völlig Neues, das die Kultur der großen Organisationen, vor allem der Unternehmen, verändert.

5.4 Methodische Gestaltung

Jede Organisation muß in der Gestaltung und Einrichtung ihrer Begegnungsstätte ihren eigenen Weg beschreiten und auch die Ziele zur Steigerung ihrer Fortschrittsfähigkeit in intensiver Kommunikation der Beteiligten herausarbeiten. Anregungen und Ansätze finden sich in vielen Bereichen. Dazu gehören:

Führungslehre und Führungssystematik; Managementlehre (Malik, 1993) und Strategiemanagement; Innovations- und Technologiemanagement; Organisationsentwicklung; der Lehr- und Lernbereich; der Bereich der ingenieurmäßigen Projektierung; Information Engineering als Erweiterung des Application Engineering; kontextuelle Informationsverarbeitung und die Repräsentation von Wissen

In all diesen bewährten Methodologien der Gestaltung, die wissenschaftlich erforscht und begründet sind und vor allem auch in der Erfahrung der Praxis wurzeln, werden Methodenbausteine vielfältiger Art genutzt. Diese Methodenbausteine sind in einem Pool verfügbar zu halten, so daß sie je nach Aufgabenstellung in geeigneter Kombination aktiviert werden können.

Dazu gehören ferner Modelle aller Art, um komplexe Sachverhalte und Wirkzusammenhänge transparent zu machen und auch simulieren zu können. Auch hier ist die Einrichtung eines Pools denkbar.

Die Integration von Wissen, Methoden und Modellen schafft eines Fundus als notwendige Bedingung für die Bearbeitung komplexer Problemlösungen.

5.5 Erweiterte Perspektiven der Wertschöpfung

Die fortschrittsfähige Organisation ist bewußter denn je in zwei großen, fundamentalen Netzwerken organisch verwurzelt:

- dem Netzwerk der harmonischen, ökonomisch-ökologischen Gestaltung auf Basis sozio-technischer Problemlösungen mit gesamtgesellschaftlicher Orientierung

- dem Netzwerk des Wissens auf Basis sozio-mentaler Problemlösungen zur Förderung fortschrittsfähiger Verhaltensweisen

Sie ist Teil dieser Netzwerke und ist sich dessen auch bewußt. Sie widmet sich, gemeinsam mit anderen, der Gestaltung von Leitbildern für die einzelnen Problembereiche im gesellschaftlichen Kontext und konzentriert ihre Kernkompetenzen auf fundamentale Innovation für ihre Geschäftsfelder im Problemlösungsgeschäft. Sie bedient sich zur Wahrnehmung dieser Aufgaben des Netzwerkes des Wissens und trägt zum Aufbau und Ausbau dieses Netzwerkes bei. Sie erschließt sich gegebenenfalls ergänzend zu den Geschäften in den materiellen Bereichen der ökonomischen-ökologischen Gestaltung neue und erweiterte Geschäftsmöglichkeiten zunehmend immaterieller Art im Netzwerk des Wissens. Sie gestaltet bewußt eine dual komplementäre Geschäftsstruktur in Beziehung zu beiden Netzwerken.

Ob und inwieweit im eingeschwungenen Zustand künftiger Marktstrukturen die Organisationen von den verfügbaren Potentialen der Netzwerke und den gestaltbaren Potentialen der eigenen Organisation Gebrauch machen und Gebrauch machen müssen, um ihre Position zu sichern, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang sie sich frühzeitig und umfassend mit dem gesamtgesellschaftlichen Kontext auseinandersetzen. Um den anskizzierten möglichen Wandel möglichst reibungslos bewältigen, ja sogar als Chance für die Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit nutzen zu können, bedarf es der frühzeitigen Analyse der Konsequenzen, die sich aus den angezeigten Trends der Informatisierung und Telematisierung einerseits und er Ökologisierung und auch Gemeinwohlverpflichtung andererseits ergeben.

5.6 Die Organisation als Unternehmer im Netzwerk des Wissens

Wer am Aufschwung des fünftenKondratieff-Zyklus teilhaben möchte, möglicherweise sogar für seine Förderung verantwortlich ist, muß um fundamentale Innovation bemüht sein. Dies kann durch direkte geschäftliche Engagements und/oder durch Einflußnahme auf die Gestaltung förderlicher Rahmenbedingen erfolgen. Der Schlüssel liegt in jedem Fall im Problemlösungsgeschäft und der Entwicklung zur Problemlösungsgesellschaft mit ausreichender Fortschrittsfähigkeit ihrer Organisationen.

Der Markt mit seinem Spektrum an Produkten und Leistungen kann und wird sich in mehreren Stufen in Parallelität in mehreren Zielrichtungen entfalten:

(1) Förderung der Innovationsfähigkeit der Organisationen und der Gesellschaft

(2) Erschließung fundamentaler Innovationen in allen Bereichen des Problemlösungsgeschäfts

(3) Erschließung fundamentaler Innovationen zur Anlage und Gestaltung von Wissensstädten (als spezielle Teilmenge von Position 2)

(4) Realisierung von Wissensstädten und Begegnungsstätten für die einzelnen Bereiche des Problemlösungsgeschäfts, die Förderung der Innovationsfähigkeit und die Anlage und Gestaltung von Wissensstädten selbst

Die erste Position betrifft alle Organisationen. Sie sind Gebraucher der Angebote an Lieferungen und Leistungen. Als Lieferanten können sie sich in den vier Positionen spezialisieren, aber auch synergetische Kombinationen anstreben. Wer beispielsweise in der Umwelttechnik geschäftlich engagiert ist, kann die Geschäftsbasis auf Beratung ausweiten und hätte dann auch Interesse an der Anlage und Gestaltung einer Wissensstadt zum Thema Umwelt. Seine materielle Geschäftsbasis weitet sich zum Immateriellen hin aus. Es entstehen Märkte, in denen in verstärktem Umfang "immaterielle Waren" angeboten und nachgefragt werden.

Wer sich weiterhin eher im materiellen Bereich des Problemlösungsgeschäfts spezialisiert, wird ebenfalls einen steigenden Anteil immaterieller Waren verzeichnen und sich zwischen Eigenarbeit und Fremdbezug zu entscheiden haben. Es ist anzunehmen, daß sich für eine Organisation die immaterielle Wertschöpfungstiefe in Folge von weiteren Spezialisierungen auch im immateriellen Bereich relativ verringert. Dadurch steigt gleichzeitig der Anreiz für andere Organisationen über die klassische Geschäftsbasis hinaus, sich in diesem Bereich ebenfalls zu engagieren.

Die Unterstützung der Anlage und Gestaltung von Wissensstädten in Kommunen intensiviert die Präsenz vor Ort und fördert im Zusammentreffen vielfältiger Problemlösungsgeschäfte in der Kommune auch das Marketing und die Rückkopplung von Anforderungen an Systeme und Produkte. Ziel ist letztlich, die fundamentalen Innovationen für die Gesellschaft zu erschliessen.

Last not least kann und muß versucht werden, im Vorfeld Einfluß zu nehmen. Über das Netzwerk des Wissens läßt sich Transparenz schaffen bei der Präzisierung von Erfordernissen für die Forschung und Lehre, bei den Vorarbeiten zur Erschließung neuer Märkte und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, bei der Aufklärung der Bürger unter Mitwirkung der Medien und bei der Mitgestaltung von politischen Rahmenbedingungen durch staatliche Institutionen und mit Hilfe multiplikativ wirkender gesellschaftlicher Institutionen.

6. Auf dem Wege zu Kooperationen für eine bessere Zukunft

6.1 In der Begegnung mit anderen lernen

Das nüchterne, argumentative Für und Wider, mit dem sich jede Organisation in einem langwierigen Prozeß auseinanderzusetzen hätte, wäre wahrscheinlich schneller und leichter zu absolvieren, wenn es Städte des Wissens und Stätten der Begegnung schon gäbe. Eine wäre dem Thema "Wissensstädte" selbst gewidmet. Die notwendige Auseinandersetzung wäre in Umsetzung des Leitbildes auf das eigene Anliegen im Erscheinungsbild einer Wissensstadt repräsentiert und in dieser unmittelbar erlebbar.

Am gleichen Ort und zur gleichen Zeit könnten mehrere potentielle Interessenten sich treffen, ihre Erfahrungen austauschen und auch Kooperationen zum gegeseitigen Nutzen verabreden. Und was für das spezielle Problemlösungsgeschäft "Anlage und Gestaltung von Wissensstädten" gilt, ließe sich auf alle anderen Problemlösungsgeschäfte übertragen. Das unmittelbare Erleben einer Variante würde zwangsläufig zur Erfindung der anderen führen.

In der Wissensstadt zum Thema "Anlage und Gestaltung von Wissensstädten" wäre auch eine Reflexion und Rekonstruktion des Prozesses zu finden, wie die Vision und das Leitbild entstanden sind. Möglicherweise würde der potentielle Interessent diesen Part einer Ausstellung sehr schnell durchqueren, möglicherweise würde er zu diesem Teil hin und wieder zurückkehren, da dieser das Essentielle in einer zwar ungewohnten, aber sehr dichten Form zur Anregung der Gedanken bietet. Man muß die Angebote nur einmal an sich heranlassen. Dazu gehört Mut. Das Erlebnis gibt aber auch Mut. Er oder sie könnten später anderen vom Geschauten und Erlebten erzählen (Volkmann, 1995 b).

6.2 Das Neue wie ein Kind schauen und erleben

Eröffnung eines Dialogs

"Ich erinnere mich", sagte ein Teilnehmer später zu einem anderen, der nicht mehr dabei sein konnte - vielleicht mußte er dringend abreisen oder er wollte sich noch die Stadt ansehen - "ich erinnere mich", wiederholte der Teilnehmer, "an eine fiktive Meldung (Volkmann, 1991):

Auf den Tag genau wie geplant ist rechtzeitig zum Jahrtausendwechsel am 31. Dezember 1999, 9,00 Uhr, die unter Führung des Alpha-Konsortiums mit einem Kapital von rund 550 Mill. Dollar erstellte Knowledge City in einem Vergnügungsareal im Pazifischen Raum nach nur dreijähriger Bauzeit ans Netz der Breitbandkommunikation gegangen. Die Betreiber sind optimistisch, in schon weiteren drei Jahren eine vollständige Refinanzierung zu erlangen."

"Knowledge City? Eine Wissensstadt, das ist doch eine Utopie, wenn nicht gar Unsinn", meinte der andere. "Wartet es ab", erwiderte der Erste. " Es ist ein weiches Signal; man muß es nur zu deuten wissen. Möglicherweise würdet Ihr anders urteilen, wenn Ihr die Illustration 'Aufbruch zum Kontinent der Lösungen' gesehen hättet. Eine Illustration wie aus einem Kinderbuch", fügte er noch hinzu.

"Wie, aus einem Kinderbuch?" fragte der andere eher ungläubig. "Ja", erwiderte der erste schlicht. "Wie aus einem Kinderbuch." "Aber warum denn so eine Kinderei!" rief der andere. "Tja", meinte der erste, "Ihr hättet den Anfang miterleben müssen." Am liebsten hätte er geschwiegen, aber wie sollte er sich ohne Bild mit Schweigen verständlich machen? Etwas schien der andere angesichts der zögernden Antwort aber doch begriffen zu haben, denn er fragte: "Was war denn auf der Illustration zu sehen?"

Begegnung mit einer fremden Welt

Der Erste setzte etwa mit folgendem Kommentar ein: "Die Illustration 'Aufbruch zum Kontinent der Lösungen' erzählt dem aufmerksamen Betrachter eine Geschichte. Die Geschichte von der aktiven Zukunftsgestaltung und was die Verantwortlichen tun können, um den Kontinent der Lösungen zu erreichen. Wer die Illustration gesehen hat, wird sie nicht vergessen. Eindrücke sind kaum in Worte zu fassen und Dritten schwer zu vermitteln. Einige Hinweise laden vielleicht aber doch ein, den Aufbruch schon zu wagen, zumindest einen Besuch ...". Der andere unterbrach ihn. "Nun erzählt schon", drängte der andere, "was ist denn auf dem Bild dargestellt?"

Und der Erste fuhr fort: "Im Meer der Wissensexpansion mit seinen riffartigen Bedrohungen und gewaltigen Informationsfluten steuern die Kapitäne mit den Schiffen der Problemlösungen einen falschen Kurs. Bei den unausweichlichen Havarien retten sich einige mit dem Rettungsboot "lean" und kehren nach Babylon zurück. Und Babylon produziert Probleme in allen Richtungen, und die Problemwolken reagieren mit zunehmendem Blitz und Donner, Unwettern, Erdrutschen und vielfältigen anderen Bedrohungen. Ein tückischer Kreislauf, der unterbrochen werden muß. Warnend schwebt der Ballon mit der Botschaft "ein Volk ohne Vision geht zugrunde" über dem Geschehen. Merkur ruft den einen Vernünftigen.

Spätestens nach der nächsten Havarie - am besten schon vorher - sollten die Beteiligten auch das Rettungsboot "keen" nutzen, um zu den in der Zukunft gelegenen Inseln der Hoffnungen und Bedürfnisse gelangen zu können. Dort werden sie weitere Rettungshilfen finden: den Aufklärer, den Satelliten zum Empfang weicher Signale , alles Hilfen, um den Kontinent der Lösungen zu entdecken. Er liegt verborgen hinter der Inselkette der wahren Bedürfnisse. Wenigstens einer muß bis dorthin gelangen, um von dort Orientierungssignale aussenden und die neuesten Erkenntnisse aus der Zukunft in die Gegenwart transponieren zu können (Volkmann, 1994 b). Es muß Orientierung gewonnen werden, um den richtigen Kurs zu steuern.

Die aus der Zukunft erlangbaren, "über den Wolken" produzierten und transferierten Lösungsansätze können in die Wissensstadt gelangen, zu Lösungen aufbereitet und vermittelt werden. Diese Städte des Wissens müssen die Schiffe der Problemlösungen anlaufen, um eine zukunftsorientierte Ladung zu löschen, und mit neuartigen Orientierungen versehen, einen sicheren Kurs zu steuern. Es sind viele weiche Signale zu beachten!"

Interpretationen und Konsequenzen

"Hm", murmelte der andere vielsagend, als der erste geendet hatte. "Verwegen, so eine Darstellung, aber interessant. Die Zustände der Gesellschaft und die Wege, etwas völlig Neues zu wagen, durch eine Darstellung wie in einem Kinderbuch zu veranschaulichen." Der erste nickte zustimmend und wollte noch hinzufügen, daß Merkur, der Götterbote, versucht hat, im Auftrage der Götter den einen Vernünftigen zu finden, um die Botschaft der Götter für das Leitbild " Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" zu überbringen. Aber er kam nicht mehr dazu.

"Ungewohnt, sehr ungewohnt", setzte nämlich der andere wieder an, nachdem er es nochmals überdacht hatte, "auf die Botschaft werden Menschen sehr verschieden reagieren. Es kommt ein bißchen auf deren persönliche Veranlagung an." "Ihr habt recht", erwiderte der Erste, "es ist ja vor allem auch eine sehr unbequeme Wahrheit, die jeden einzelnen und die Verantwortlichen tangiert!" "Wie meint Ihr das?" fragte der andere.

Und der erste fuhr fort: "Möglicherweise sind Kinder die ersten Gründer der Wissensstädte, weil sie die Erwachsenen, die ihr Wissen anhäufen und in sinnentleerten Zusammenhängen artikulieren , nicht mehr verstehen. Kinder bauen sich ihre eigene Welt. Sie besitzen noch die Phantasie dazu, die den Erwachsenen mit Ausnahme der Künstler mehr und mehr abgeht. Kinder werden ganze Wissenslandschaften mit vielen Städten entwerfen, in denen die Visionen zur Zukunft wachsen und gedeihen können.

Zwar rufen Wirtschaft und Politik nach Visionen, aber die Verantwortlichen sind im harten Tagesgeschäft und im Alltag der Politik nicht in der Lage, nehmen sich zumindest nicht die Zeit, Visionen zu erkennen und zu erleben und auszugestalten, geschweige denn eigene zu entwickeln. Das muß sich ändern (Volkmann, 1993 c) und das wird sich mit Hilfe der Wissensstädte auch ändern lassen

Denn jeder Mensch ist kreativ bis ins hohe Alter hinein. Die kreativen Kräfte müssen nur geweckt werden (Beuys). Es werden, bedingt durch die großen globalen Herausforderungen der Welt, Wissensstädte entstehen müssen, um die Information zur Bewältigung von Komplexität überhaupt noch beherrschen zu können. Die Gesellschaft braucht Visionen, keine Ideologien (8). Und die notwendige Phantasie läßt sich durchaus mit Systematik mobilisieren.

Kinder sind große Entdecker der Realität. Sie sehen auf einer Zeichnung eines komplexen Sachverhaltes Einzelheiten und Zusammenhänge, die ein Erwachsener zunächst gar nicht wahrnimmt. Erst die Fragen des Kindes lassen ihn gewahr werden, was man auf einer "kindlichen Zeichnung" oder einer Zeichnung für Kinder alles sehen und im Geiste erleben kann.

Mit Hilfe einer solchen Kinderbuch-Illustration soll der Besucher in die Wissenslandschaften mit den Wissensstädten geführt - wenn es sein muß, vielleicht sogar entführt werden!" Und er setzte noch hinzu: "Kinder werden nicht zögern zu fragen, was sich hinter den Nummern auf der Illustration vom Kontinent der Lösungen verbirgt, sich möglicherweise erkundigen, ob es sich um einen Adventskalender handelt." "Und was steckt dahinter?" fragte der andere. "Ein Hypersystem", erwiderte der Erste, "mit einer Reihe weiterer Analysen zum Verständnis des Leitbildes 'Städte des Wissens als Stätten der Begegnung' "und, fügte er noch hinzu, "eine Einladung, die erste Wissensstadt zu besuchen.Sie heißt übrigens XENIA, wie ich dem Prospekt entnehmen konnte (Volkmann, 1994 a). XENIA, Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft."

"XENIA, die Gastliche?" wurde der andere jetzt lebendiger, "auch die Gastgeschenke, aber im Wortstamm auch das Fremde beinhaltend?" Und kommentierend fügte er hinzu, "ein Symbol für die Gratwanderung zwischen dem Fremden und der Erwartung des Gastlichen beim Aufbruch zum Kontinent der Lösungen? Von XENIA würde ich gern mehr erfahren!" Soweit eine kleine Begegnung zweier Kongreßteilnehmer in XENIA.

6.3 Wünsche heute, Fakten für morgen

Vielleicht sollte die fiktive Meldung doch ernst genommen werden. Die in der Meldung versteckte Wagnisidee sucht Wagniskapital. Sie ist durchaus keine Utopie (mehr), sondern eher schon eine sich konkretisierende Vision, die eine ganze Reihe von beobachtbaren Entwicklungen zu einem praktikablen Leitbild integriert:

"Ich stelle mir vor", sagte Gantenbein, "eine Stadt zu errichten, in der alles Wissen der Welt versammelt ist und in geeigneter Aufbereitung angeboten wird, und zwar nicht nach wissenschaftlichen Diziplinen geordnet, sondern nach Lebens- und Problembereichen aufbereitet."

Gantenbein fungiert als autorisierter Stadtführer in Knowledge-City. Er macht die Besucher bekannt mit den Old Knowledge Cities und ihrer Geschichte, auch ihrem Verfall und Wiederaufbau, mit den Trabantenstädten der Wissenschaft, mit den Problem Slums und den Modern Cities. Vergnügliches Lernen bieten die Attraktionen von Reality Park.

Die Old Knowledge Cities sind als Miniaturen, vergleichbar einem Disney-Land, realisiert und mit den Attraktionen kombiniert. Die großen Lebens- und Problembereiche können als virtuelle Realitäten in Informationsstudios besichtigt werden.

Wissen und Orientierung bieten heißt die Devise des Unternehmers, der die Knoledge Cities betreibt. Das Anliegen ist,

- Grundwissen zu festigen und zu verbreiten, die Denk- und Arbeitsmethodik zur besseren Bewältigung von Komplexität weiterzuentwickeln und ihre Verbreitung zu fördern,

- Wagnis-Ideen zur gesellschaftlichen Gestaltung anzubieten,

- Leitbilder für die Zukunftsgestaltung zu vermitteln,

- vielleicht sogar einen "Sinnmarkt" zu betreiben.

Besucherzielgruppen der Knowledge Cities sind nicht nur Schulklassen und Familien, sondern auch Gruppen von Bürgern und Verantwortlichen, die sich mit bestimmten Problemen auseinandersetzen.

Ob Unternehmer heute schon derartige Ziele verfolgen würden, ist fraglich. Wer es jedoch wagen würde, trifft Vorkehrungen für die Zukunft und kann sich auf dem Wege zur Problemlösungsgesellschaft Wettbewerbsvorteile sichern (Volkmann, 1993 a). Und wer es wagen möchte, dem wird das Leitbild "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" angeboten.

6.4 Investitionen für die immaterielle Infrastruktur

Vor dem Hintergrund der Illustration "Aufbruch zum Kontinent der Lösungen" mit der Vision vom Netzwerk der Städte des Wissens und den Stätten der Begegnung läßt sich der Faden der Schlußfolgerungen nicht nur weiterspinnen, sondern auch spekulativer und phantasievoller ausmalen: Denn nur Wünsche von heute schaffen Fakten für morgen. Es geht um die Gestaltung förderlicher Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Leitbildes. Auch diese Aufgabe ließe sich am besten als gemeinsamer Prozeß der zu Beteiligenden gestalten und wäre auch in der Umsetzung einer Wissensstadt in seiner Komplexität leichter zu meistern. Aufgeschlossen für eine gedankliche Simulation des Als-Ob wird der potentielle Interessent das Design eines weiterreichenden Programms in seiner attraktiven Wirkung schnell erkennen, erleben und vielleicht sogar schon akzeptieren können.

Mit dem Ansatz der Datenautobahnen ist sicherlich ein kräftiger Schub zur Nutzung moderner Technik der Kommunikation und Information mit allen damit erlangbaren Vorteilen verbunden. Die Frage ist, ob dieser Schub langfristig ausreicht und auch schon Weichenstellungen in die richtige Richtung bewirkt. Beides ist eher zu verneinen (DIE ZEIT, 1993).

Die Steigerung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen muß von einer Steigerung der Innovationsfähigkeit in Kommunen und Institutionen und auch einer verbesserten Qualifikation des Bürgers begleitet und unterstützt werden. Dazu ist ein Investment in materielle Infrastrukturen nicht ausreichend. Es bedarf in gleicher Weise und sogar in erhöhtem Umfange eines Investments in die immateriellen Infrastrukturen der ganzen Gesellschaft als Polis. Dazu gehören:

(1) Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung

(2) Bildungswesen und Pflege der Kultur

(3) erweiterte und neue Verfahren der gesellschaftlichen Regulierung, insbesondere im Hinblick auf die ökonomisch-ökologische Umgestaltung

(4) ein permanentes Audit zum System "freiheitliche Demokratie - soziale Marktwirtschaft - Rechtsstaat"

(5) Verfahren der Gesetzgebung in Kombination mit erweiterten Formen der Partizipation

Ziel ist, durch Information und Wissen eine offene Gesellschaft zu gestalten. Nur wenn die Gesellschaft als offene Gesellschaft funktioniert, dann kann sie im offenen ökonomischen Wettbewerb bestehen. Andernfalls muß sie sich abschotten, um ihren Wohlstand als Minderheit in der globalen Gemeinschaft zu schützen.

6.5 Qualifikation, um Freiraum zu nutzen

Dieses 5-Punkte-Programm erfordert auf breiter Basis eine Auseinandersetzung mit Sachverhalten und Wirkzusammenhängen von höchster Komplexität. Der Schlüssel liegt im Bereich der Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung. Die Bürger als Betroffene und potentielle Mitwirkende müssen verstehen können, wie das Gemeinwesen und die Wirtschaft funktionieren und funktionieren sollten. Sie brauchen eine höhere Qualifikation. Lebenslanges Lernen ist unabdingbar. Zum Training der geistigen Fähigkeiten bedarf es der Pflege der Kultur, in der auch die Identität der Gemeinschaft wurzelt.

Die Realität sieht an dieser Stelle anders aus. Das Bildungswesen ist reformbedürftig, die Etats für Kultur werden immer knapper bemessen. Da ist gegenzusteuern. Es kann nicht sein, daß sich eine reiche und entwickelte Industriegesellschaft nicht mehr (!) Bildung und Kultur leisten kann. Da sind schlicht die Priotäten falsch gesetzt, und zwar sowohl beim einzelnen Bürger als auch bei den zuständigen Verantwortlichen.

Gegenargumente sind schnell zur Hand. Die Verflachung des kulturellen Niveaus in den Medien wird mit dem Verlangen des Konsumenten erklärt. Das ist zu einfach: Erstens gibt es gewisse Dinge, die man nicht tut, und zweitens kann der Konsument gegen seinen Willen verführt werden. Aufklärung tut Not! Und es gibt Beispiele, wie sich im Bereich der materiellen Kultur, des Essens und Trinkens und des Wohnens, die Ansprüche entwickelt und verfeinert haben, auch weil die Leute es sich leisten konnten. Ähnliches kann durchaus für den Bereich des Immateriellen gelingen.

Die notwendige Auseinandersetzung muß als Prozeß angelegt werden, an dem jeder teilhaben kann. Mit der Anlage und Gestaltung von Wissensstädten und Begegnungsstätten erfolgt deshalb ein Investment in den Ausbau der immateriellen Infrastruktur. Damit entsteht eine Basis für weitere Aufgaben des 5-Punkte-Programms, neue Lösungen mit erweiterten Methoden der Partizipation zu versuchen. Die notwendige ökonomisch-ökologische Umgestaltung ist nicht ohne den Bürger und erst recht nicht gegen ihn möglich.

Die Menschen müssen Gelegenheit haben, neue Ideen zu wagen. Sie brauchen Freiraum, günstige Gelegenheiten (Okkasionen) zu erspähen und mit Gedanken anzureichern, ohne daß die Ideen unmittelbar mit Argumentationen aufgrund von Restriktionen des Machbaren bzw. Nichtmachbaren aufgrund mangelnder Ressourcen, bestehender Ängste und vorherrschender politischer, wirtschaftlicher, aber auch wissenschaftlicher Konstellationen konfrontiert und in ihrer Entfaltung behindert werden.

Ein solcher Freiraum wird bisher allenfalls Künstlern zugestanden; warum nicht auch den Politikern und den Unternehmern, den Forschern, aber auch den Betroffenen? Was könnten wir dann wagen?

6.6 EXPO 2000: Die Chance für eine europäische Initiative

Besondere Anlässe erweisen sich oft als nützlich, langfristig notwendige Anstrengungen termingerecht zu konkretisieren und zum Nutzen für die Beteiligten in Zielprojekten zu fokussieren. Die konkrete Ausgestaltung der Anlässe wirkt dann retograd derart, daß die langfristig notwendigen Anstrengungen verstärkt bewußt werden und in konkreten Handlungsprogrammen artikuliert werden können. Wenn es gelingt, ohnehin anzustellende Überlegungen in Form der Wissensstädte zu integrieren, dann wird der zusätzliche Aufwand für die besonderen Anlässe minimiert. Es bestehen Chancen für einen integrierten Gestaltungsprozeß.

Ein ganz besonderer Anlaß ist die Weltausstellung im Jahr 2000 in Hannover. Die EXPO 2000 bietet Gelegenheit, die Leistungskraft und Leistungsbereitschaft nicht nur der Wirtschaft, sondern der ganzen Gesellschaft in der aktiven Zukunftsgestaltung für die globale Gemeinschaft zu demonstrieren. Diese Chance gilt es zu nutzen!

Denkbar wäre, den geplanten Themenpark (EXPO, 1994) in Form der "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" zu gestalten. Die grossen Themenstellungen sind bekannt. Die Visionen müssen zu großen Teilen noch erarbeitet werden. Um die immer knappen Ressourcen gezielt einsetzen zu können und eine Verzettelung der Kräfte zu vermeiden, ließe sich folgende Vorgehensweise verabreden:

(1) zu jedem Themenfeld engagiert sich eine (europäische) Kommune und übernimmt zusätzlich eine Art Schirmherrschaft.

(2) Zwei bis drei große Unternehmen, durchaus nicht aus der gleichen Branche, denen sich weitere interessierte Unternehmen anschliessen können, widmen sich den Aufgaben der thematischen Ausgestaltung, und zwar in enger Kooperation mit der Wissenschaft.

(3) Bürger und andere Institutionen wirken im Rahmen von einschlägigen Netzwerken bei den einzelnen Themenstellungen mit.

Aus allen drei Gruppierungen werden Cicerones als Stadtführer gewonnen, die auf der EXPO interessierte Besucher betreuen, in die Nutzungsmöglichkeiten der Informationsangebote einweisen und ggf. Führungen unternehmen. Wissensbestände werden über einen organisierten Handel zwischen den Wissensstädten über die EXPO hinaus schon vorher und danach ausgetauscht. Auf diese Weise läßt sich eine europäische Initiative starten, aus der das Netzwerk der Wissensstädte hervorgeht.

Quellen und weiterführende Materialien:

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Dr. Helmut Volkmann, Abteilungsdirekter in der Zentralabteilung Forschung und Entwicklung der Siemens AG, 81730 München



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