Der große Basar

Die Informationsmärkte bei Siemens

und ihre Bedeutung für die Unternehmensentwicklung

Helmut Volkmann, München

1. Einstimmung

Unter dem Titel "Olympischer Disput bei Siemens" berichtete das Manager-Magazin im März 1973 über eine Management-Tagung bei Siemens (Siemens Tagung), an der über 1000 Führungskräfte des Hauses teilnahmen und über wichtige Themen für die weitere Entwicklung des Unternehmens diskutierten. Es war nicht das erste Zusammentreffen der Führungskräfte in dieser großen Besetzung, aber das erste Treffen, das als "Informationsmarkt" gestaltet wurde. Heute, mehr als 20 Jahre danach, ist die von Eberhard Schnelle entwickelte Methode der Metaplanung mit dem Informationsmarkt in vielerlei Anwendungen und Abwandlungen in Unternehmen und Institutionen, in Zukunftswerkstätten und bei Kongressen zu finden. Siemens war damals ein Vorreiter und Förderer dieser Methodik und ist heute ein Anwender wie viele andere auch.

Am Anfang stand, obwohl in ersten Facetten angelegt, nicht der Informationsmarkt im Zentrum erster Anwendungsüberlegungen, und auch Metaplan hatte vom Ursprung her andere und weiterreichende Intentionen. Es lohnt, die Geschichte der ersten Überlegungen nachzuzeichnen, und es lohnt auch, die Geschichte der Informationsmärkte bei Siemens, die eine gewisse Tradition erlangen sollten, zu studieren, um den Gehalt und die Grenzen der Metaplanung ausloten und auch das noch schlummernde Potential des Ursprungs erkennen, entdecken und weiterentwickeln zu können: die strategische Gestaltung von Innovationen in den Unternehmen und Institutionen für die Gesellschaft!

Es ist unter dem Blickwinkel von Siemens eine Geschichte von nahezu drei Jahrzehnten, deren Anfänge mit dem Zusammengehen der Siemens & Halske AG und der Siemens Schuckertwerke AG begonnen hat und die bis zum 150jährigen Jubiläum des Hauses im Jahre 1997 ausstrahlt. Es ist auch die Zeitspanne meines persönlichen Engagements für das Thema Innovation in einer großen Organisation.

Was ich zur Reflexion beitragen kann, ist ein kritischer, höchst subjektiver Rückblick von einem, der von Anfang an dabeigewesen ist und alles selbst miterlebt hat. Das Bemühen ist also nicht, aufzuzeigen, was ein Informationsmarkt (theoretisch) alles bewirken kann, oder praktisch zu beweisen, was er im zu betrachtenden Fall alles (angeblich) bewirkt hat. Die Bilanz für das Haus ist nicht schlecht, aber gerade deshalb geeignet, kritisch kommentiert und subjektiv bewertet zu werden. Es ist eine Betrachtung, die vielleicht auch bewußt zwischen den Zeilen mitteilt, was für potentielle Interessenten wissenswert ist.

Trotzdem wird eine gewisse Abstraktion über die Ausdrucksweise versucht. Bei Betrachtungen, die ich für verallgemeinerbar halte, werde ich von "der Organisation" sprechen. Was äußerst spezifisch für das Haus Siemens erscheint, wird kenntlich gemacht sein. Zwischen diesen beiden Markierungen vagabundieren die Gedanken und laden ein, sie zu begleiten. Die Gedanken folgen einerseits einer Ereignis-Zeitachse, und sie reflektieren andererseits kritisch - vor dem Hintergrund der Erfolge - die Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit und die Perspektiven eines noch nicht ausgeschöpften Potentials.

Die Betrachtungen führen auch zu persönlichen Erinnerungen an die Begegnungen mit Menschen, die ich in einer großen Organisation sonst nicht getroffen oder nicht so kennengelernt hätte wie geschehen: die Entscheider, die Standmacher, die Themenreferenten, die Moderatoren, die Kollegen in der gemeinsamen Projektverantwortung und vor allem Eberhard Schnelle und die Metaplaner aus Quickborn.

2. Was .....? Ideen, Intentionen, Initiativen: Impressionen zu einem Anliegen und was daraus geworden ist

Erste Impulse

Unter der Bezeichnung "Entscheidertraining" bot Metaplan der Siemens AG 1972 ein Verfahren an, mit dem die strategische Entscheidungsfindung unterstützt und bereichert werden könnte. Da Eberhard Schnelle mit seinen bisherigen Arbeiten für das Haus bereits in den 60er Jahren beachtenswerte Erfolge bei der Durchforstung organisatorischer Regelungen des repetitiven Geschäfts - Stichwort Gruselkabinett - herbeiführen konnte, bot es sich an, den neuen Ansatz "Metaplanung" (Schnelle 1973) gewissenhaft zu prüfen.

Eine erste interne Begegnung mit der Metaplanung - natürlich als Gruppe arrangiert - vermochte zu begeistern. Teilnehmer waren der zuständige Vorstand Max Günther vom Zentralbereich Betriebswirtschaft, die leitenden Direktoren dieses Bereichs sowie eine Reihe von Kollegen, die entweder schon mit Eberhard Schnelle zusammengearbeitet hatten oder mit neuen Methodiken der Rationalisierung, der Innovation und/oder des Managements befaßt waren. Was heute als Stand der Kunst in vielen Formen unter unterschiedlichen Namen praktiziert wird, ließ sich in einer Probeveranstaltung von nur wenigen Stunden vermitteln: Transparenzfragen, Brainstorming, Szenariostrukturierung, Bewertung durch Punkte, Ableitung von Maßnahmen. Das Thema dieser Erprobung war sehr allgemeiner Art "Wandel im Umfeld und Konsequenzen für die Siemens AG", jedoch immerhin so konkret, daß eine anschauliche, praktisch weiterführbare Problemstrukturierung gelang. Der Entwicklung von Unternehmensstrategien schienen neue Wege geöffnet.

Es war auch die Zeit, als die strategische Unternehmensplanung als Geschäftsfeldplanung in ersten Ansätzen verfolgt wurde. Wie jede Neuerung hatte auch diese mit Akzeptanzproblemen zu ringen. Metaplan bot sich geradezu als Weg an, derartige Akzeptanzbarrieren zu überwinden, weil durch Partizipation der Betroffenen von allen hätte Einfluß auf die Gestaltung von Strategien genommen werden können.

Als Dreierteam erhielten Gustaf Adolf Pourroy und Rüdiger Hanslik und ich den Auftrag, die Nutzungsmöglichkeiten im Kontakt mit Metaplan weiter zu verfolgen. Ich selbst war begeistert von dem Potential, das sich für die Unternehmensentwicklung bot, Hanslik teilte mein Urteil, Pourroy war noch skeptisch, aber durchaus auch an einer weiteren Auslotung des Potentials interessiert. Andererseits gab es natürlich auch Einwände gegenüber dem methodischen Ansatz, die uns im internen Gedankenaustausch - gespeist aus unterschiedlichen Quellen wie der Organisationsplanung, der Investitionsplanung und dem Management großer Projekte - schnell bewußt wurden. Der Wurf war zwar genial, aber - gemessen an dem Entscheidungsverhalten der Verantwortlichen - so neu und so weit ausgelegt, daß mit einer zügigen Umsetzung nicht zu rechnen war. So etwas wollte erprobt werden.

Aus der internen Meinungsbildung in den nächsten Wochen resultierte der Vorschlag, eine "Problemklausur" - wie wir es nannten - in der von Metaplan erwogenen Dauer von vier Tagen zu einem wirklich wichtigen strategischen Thema des Hauses, das alle Geschäftsbereiche berührte, zu veranstalten. Das Thema entstammte allerdings nicht der Ebene der strategischen Unternehmensplanung, sondern aus dem geschäftlichen Alltag, wo die Bereiche der Schuh drückt. Es sollte versucht werden, einen strategischen Ansatz zur "Reduktion der Bestände (!)" zu eruieren.

Die erste Problemklausur und ein kleiner Informationsmarkt

Es war ein wirklich illustrer und teilweise auch repräsentativer Kreis, der sich in Quickborn zur ersten Problemklausur versammelte. Die Teilnehmer stammten aus den Abteilungen für Unternehmensplanung und Organisationsplanung, für EDV-Konzepte und Zukunftsplanung im Softwarebereich. Hinzukamen - aus anderen Bereichen - einige wenige Gäste, die für ihre kritisch-konstruktive Haltung bekannt waren.

Das methodische Protokoll der Problemkausur, das - ein erster spontaner Einfall - zur Rekonstruktion der Klausur mitlaufend angefertigt wurde, gibt detailliert Auskunft über den Ablauf (Siemens, 1974). Einer der Höhepunkte der Klausur war das Utopiespiel. Als die Gruppe die Ideen vorstellte, wurde selten so viel gelacht. Damit gekoppelt machten wir gleichzeitig die Erfahrung, daß unsere Stimmung, den Nutzen und Erfolg der Klausur betreffend, sich verschlechterte. Sie verbesserte sich dann aber wieder zusehends, als es gelang, die Erkenntnisse und Ergebnisse ansprechend zu visualisieren und Maßnahmenvorschläge zu verabreden.

Die Gruppe hatte keinen Umsetzungsauftrag. Wir trafen also Verabredungen des Als-Ob. Trotzdem waren wir mit Ernst bei der Sache und spürten, welches Potential zur Mobilisierung von Selbstverpflichtungen in einer Problemklausur steckte und freigesetzt werden konnte. Die Ergebnisse wurden in einem Informationsstand verdichtet und anschließend in vielen Bereichen durchaus mit guter Resonanz - bis auf das Utopiespiel, es war nicht vermittelbar - gezeigt. Der Informationsstand wurde interaktiv gemeinsam mit den jeweiligen Interessenten genutzt. Was veranstaltet wurde, war ein erster kleiner Informationsmarkt.

Und dann geschah zunächst nichts, aber auch gar nichts, abgesehen davon, daß die Erfahrungen ausgewertet und im Handbuch für Organisationsplanung dokumentiert wurden. Die Unternehmens- und Organisationsplaner und die DV-Strategen verfügten damit über eine Methode für die Bearbeitung durchaus relevanter strategischer Themenstellungen, aber das Management fragte diese - trotz strategischen Bedarfs - nicht nach. Auch Metaplan schien zunächst ratlos.

Positionsbestimmung

In vielen Gesprächen versuchten die Beteiligten, die Konstellation zu analysieren. Den Organisationsplanern war klar, es ging auch um "Macht und Einfluß". Die Unternehmensplaner, die zu dieser Zeit an Methoden des Strategiemanagements mit Portfolioanalyse arbeiteten, meinten, wenn die Methode der Metaplanung nicht mit Recherchen zu "harten Fakten" angereichert werden würde, sei ihr kein Erfolg beschieden. Eine gewisse Rivalität war nicht auszuschließen: partizipative Ansätze bedrohten auch Expertise.

Meine Analyse aus heutiger Sicht ist noch viel genereller. Das geschäftliche Geschehen spielt sich in einer mehrpoligen Konstellation ab: Den laufenden Geschäften stehen die innovativen Anstrengungen gegenüber. Beides ist Aufgabe der Geschäftsbereiche. Auf beides wird von Seiten der Zentralstellen ein Auge geworfen. Hierarchie auf mehreren Ebenen trägt Verantwortung und stattet Mitarbeiter mit Kompetenzen aus.

Übergeordnet wirkt eine gemeinsame und verbindliche Unternehmenspolitik. Basis des Geschehens in einer Organisation sind Orientierungen und geteilte Werte, die Corporate Identity und die daraus resultierende Unternehmenskultur. Die Hierarchie bündelt in mehreren Ebenen abgestuft die Interessen, tariert diese aus und führt sie zu gemeinsamen Zielen. Ihr Handeln mündet ein in strategische Vorgaben. Es geht - im guten Sinne - um "Macht und Einfluß" zur Gestaltung der Beziehungen zwischen Geschäften und Innovationen, Geschäftsbereichen und Zentralstellen, Mitarbeitern und Hierarchie und schließlich den Hierarchieebenen selbst.

Mit partizipativen Ansätzen wird eine zusätzliche Gestaltungsebene zur Geltung gebracht, die ergänzende Regulierungen erlaubt, auch eigener Regulierungen bedarf, und die im Sinne von Macht und Einfluß, obwohl kooperativ angelegt, konkurrierend auch in dem klassischen System Wirkungen entfaltet.

Mit dem zusätzlichen Element der partizipativen Gestaltung möchte man, das sind die, die Macht und Einfluß haben, alle positiven Wirkungen der Partizipation erhalten, aber auf keinen Fall den eigenen Macht- und Einflußbereich gefährdet wissen. Unterhalb gewisser Toleranzgrenzen wird durchaus vieles erlaubt, gar gefördert - was auch zur Erweiterung der Toleranzgrenzen führen kann. Wird die Toleranzgrenze jedoch überschritten, so kommt es zu heftigen Gegenreaktionen bis hin zu absolutistischem Gebaren mit der Erstickung aller partizipativen Ansätze, teilweise in der eleganten Form der Versandung.

Ein wacher Instinkt mußte gegenüber einem partizipativen Angebot solange Gefahr wittern, wie kein Erfolgsnachweis vorlag. Im Vergleich zum bestehenden System mußte mehr bewirkt werden können und die Stabilität des Systems in sich mußte noch gefestigt werden können. Die ganze Problematik und Dramatik an Komplexität zu einer Innovation, der große Organisationen ausgesetzt sind und die sie zu meistern versuchen müssen, konnte in der herrschenden deadlock-Konstellation studiert werden.

Es sind auf der anderen Seite aber auch die Gefahren der Nutzung der Ansätz der Partizipation nicht zu verschweigen. Die Verführung zur Manipulation aus beiden Sichten ist groß: "Das müssen Sie mal so hinmoderieren!" Aber auch, "das werden wir schon umfunktionieren!" Unter der Flagge der Begegnung sind auch eher partizipative Scheinaktivitäten zu erleben, und unter der Flagge der Partizipation entfalten sich auch leicht Interessengemeinschaften in Form von "Seilschaften".

Es ist daher die "Kunst der Mitte" gefragt, die sich aus einem gemeinsamen Prozeß, der von Verantwortung getragen ist, entfalten kann. Diesem Bemühen um die Kunst der Mitte ist die Analyse der bei Siemens durchgeführten Informationsmärkte gewidmet. Und von diesem Bemühen wurden wir, die die Informationsmärkte vorzubereiten, durchzuführen und auszuwerten hatten, auch alle, wenn auch in unterschiedlichen Akzenten und Engagements, gepackt.

Der Durchbruch zum Informationsmarkt für Führungskräfte

Es ist das Verdienst von Gustav Adolf Pourroy, daß er eine Bedarfslücke ganz anderer Art entdeckte. Es kam die Zeit heran, daß die Oberen Führungskräfte der Siemens AG sich wieder einmal zu einem gemeinsamen Treffen versammeln sollten. Ein erstes Treffen dieser Art hatte offenbart, daß es mit einigen Vorträgen - zu durchaus wichtigen strategischen Themen für das Haus - und anschließender Diskussion nicht zu einer ausreichend befriedigenden Kommunikation kommt. Nur wenige Teilnehmer konnten das Wort ergreifen. Es war erkennbar, daß ein Bedarf zu neuen Formen der Kommunikation besteht, der auch über eine Podiumsdiskussion hinausgehen mußte.

Es wurde mit Unterstützung durch Metaplan ein kleiner Informationsmarkt vorbereitet um darzustellen, wie sich ein Informationsmarkt für Führungskräfte gestalten ließe. Ein Raum wurde zur Verfügung gestellt und in einem neuartigen, ungewöhnlichen Ambiente hergerichtet. Der rote Teppich war maßgeblich für die Namensgebung: die rote Kapelle! Und dann kam der Vorstand. Der Vorschlag wurde in interaktiver Form - so wie es auf der Tagung geplant war - vorgestellt. Es gab grünes Licht! Wir gingen mit Begeisterung an die Arbeit. Es wurde ein Erfolg.

In der Broschüre "Der Informationsmarkt - eine Metaplan-Methode", die erst 1981 erschien, sind diese Wegetappen aus Sicht von Metaplan noch einmal nachgezeichnet. Dort heißt es im Rückblick: "Die Schwierigkeiten der Vorbereitung waren durch den Erfolg der Veranstaltung mehr als ausgeglichen. Mehr noch: Die Schwierigkeiten der Vorbereitung waren der Erfolg der Tagung". Der Erfolg beruhte auf drei Prinzipien, die in der Broschüre wie folgt zusammengefaßt sind (Metaplan 1981):

1. Alle Kongreßteilnehmer sollen intensiv mitarbeiten (nicht nur mitdiskutieren) können.

2. Die behandelten Themen sollten die Teilnehmer direkt berühren (also weder akademisch noch sonstwie praxisfern sein).

3. Die Vorbereitung des Informationsmarktes, seine Durchführung und seine möglichen Nachfolgeaktivitäten sollten von den Teilnehmern selbst in die Hand genommen werden.

Ob und inwieweit diese Prinzipien auf den vier insgesamt veranstalteten Informationsmärkten für Führungskräfte getragen haben und durchgehalten werden konnten, soll im Rückblick nachgezeichnet werden.

3. War was? Vier Informationsmärkte für Führungskräfte in einer großen Orga- nisation

Ein erster Überblick

Die Informationsmärkte bei Siemens haben als Teil des Führungssystems eine gewisse Tradition erlangt und Geschichte gemacht. Sie boten je nach Anlage und Gestaltung mit unterschiedlichen Schwerpunkten eine Plattform für lebhafte Kommunikation. Sie ermöglichten einen intensiven Kommunikationsaustausch auf der Führungsebene zu Anliegen und Aufgabenstellungen aller Art, auch in enger Kommunikation mit der Führungsspitze. Sie boten für ein weltweit tätiges Unternehmen Gelegenheit zur persönlichen Begegnung der Teilnehmer und wirkten je nach Anlage und Gestaltung in und über verschiedene innovative Projekte weiter.

In Verbindung mit Problemklausuren zur Vorbereitung und Nachbereitung der Tagungen und auch auf besondere Anforderung gab es eine Vielzahl von kleineren Informationsmärkten, um hoch komplexe innovative Themen zu vermitteln und/oder größere Projekte zu begleiten und zu verfolgen.

In dieser Form - in unterschiedlicher Anlage und Gestaltung - werden die Informationsmärkte bis heute gepflegt und genutzt. Diese Art der Vermittlung von Informationen ist damit auch ein Ergebnis der großen Informationsmärkte für die Führungskräfte, wo der Informationsmarkt als Instrument bekannt gemacht wurde und erlebt werden konnte.

Grundfragen

Die besondere Aufmerksamkeit soll diesen großen Informationsmärkten für Führungskräfte (Siemens Tagungen) gelten. Insgesamt wurden vier große Informationsmärkte veranstaltet. Sie waren von unterschiedlichem Charakter.

Nach dem Zusammenschluß zur Siemens AG 1969 waren die Informationsmärkte 1973 und 1975 Begleiter einer Aufbruch- und Aufschwungphase. Der Informationsmarkt 1980 stand im Zusammenhang mit dem Führungswechsel im Vorstandsvorstand und Aufsichtsrat; der Markt brachte eine Art strategische Inventur zu den Herausforderungen der Zeit. Bei der Neuorganisation 1990 fungierte der Informationsmarkt als Transferverstärker der Zielvorstellungen und Intentionen. Jede Zeit brachte ihren eigenen Typ hervor und brauchte ihn auch.

Es waren Veranstaltungen mit sehr unterschiedlichem Charakter, der jeweils durch spezifische Anliegen, aber auch durch spezifische Bewertungen der Beteiligten aufgrund der objektiven, sachlichen und methodischen Erkenntnisfortschritte und auch durch subjektive Kenntniskorrekturen bestimmt wurde.

In den Vorbereitungsphasen ging es daher nicht allein um Themen, sondern auch um Einschätzung und Bewertung der Erfahrungen mit Partizipation bei vorangegangenen Tagungen und den neuen Erwartungen, was mit einen Informationsmarkt für Führungskräfte bewirkt werden könnte.

Es gibt eine Reihe immer wiederkehrender Grundfragen zur Gestaltung eines Informationsmarktes generell und auch speziell für Führungskräfte. Dazu gehören:

- die inhaltich sachliche Themenwahl und der Prozeß der Themenauswahl, mit oder ohne Vorgabe seitens der Leitung: für die Beteiligten ein Ringen zwischen Erfordernissen und Kompromissen

- Gestaltung des interaktiven Standgeschehens, insbesondere um Besucher thematisch, prozeßhaft und emotional einbeziehen zu können: ein Thema im Widerstreit zwischen Managementauffassung zur Effizienz und Moderationseinstellung zur Effektivität

- die Wahlmöglichkeiten für den Standbesuch als freie Wahl mit dem Risiko der Überfüllung bis zur vorherigen Zuteilung: ein äußerst beliebtes Thema

- die Überlegungen zu Wirkungen und Nachnutzung bis hin zu innovativen Folgeaktivitäten: ein äußerst heikles Thema, weil weitere Aktivitäten Arbeit bedeuten

Selbstverständlich waren auch viele praktischen Fragen zur Gestaltung der Infrastruktur zu klären.

Organisation der Vorbereitung

Für die Treffen der Führungskräfte bei Siemens - die Siemens Tagungen - hat sich eine gewisse Grundstruktur herausgebildet: Eröffnung in einem Plenum, Arbeit in den Informationsmarktständen am 1. Tag, gesellschaftlich gemütliche Abendveranstaltung, auch mit theaterhaften und launigen Inszenierungen, flankierende Vorträge durch externe Repräsentanten, differenziert im Zeitablauf positioniert, Arbeit in den Informationsmarktständen am 2. Tag, ggf. Podiumsdiskussion, Abschlußplenum. Der Informationsmarkt im engeren Sinne betraf die Arbeit an den Informationsständen. Dieser Teil soll jeweils unter Nennung der Jahreszahlen näher betrachtet werden.

Für die Gestaltung des jeweiligen Informationsmarktes wurde ein Lenkungsausschuß aus dem Obersten Führungskreis berufen, dem eine Projektleitung und Prozeßhelfergruppe zuarbeitete. Zur Vorbereitung der Informationsmarktstände wurden von den Mitgliedern des Lenkungsausschusses sogenannte Standmacher der Bereiche, aus denen die Besucher kamen, benannt. Auf diese Weise wurde von Anfang an eine hohe Einbeziehung der Betroffenen erreicht.

Für die Arbeit standen zweckentsprechende Räumlichkeiten in Form eines sogenannten Moderationszentrums von ca. 400 - 600 qm Größe zur Verfügung. Mit den Standmachern wurden Problemklausuren zu ihren Themen durchgeführt. Die Standorte wechselten und weckten auch den Wunsch, ein eigenes, funktional organisiertes Gebäude einzurichten. Das sollte ein Wunsch bleiben.

Die mit der Vorbereitung beauftragte Projektgruppe hatte durchaus Freiraum in der Gestaltung und im Vorgehen. Sie wurde durch Metaplan beraten und wickelte intern ihre eigenen Arbeiten auch im Stile der Metaplanung ab. Partizipation war ein Anliegen.

Die partizipativen Formen konnten einen Projektleiter manchmal durchaus an die Grenze der Verzweiflung bringen. Aber sie haben sich bewährt. So manche Neuerung und Weiterentwicklung zur Methodik des Informationsmarktes ist aus den internen Auseinandersetzungen in der Projektgruppe und vor allem auch aus dem konstruktiven Zusammenwirken mit den Metaplanern hervorgegangen. Es bildete sich über die vier Informationsmärkte hinweg so eine Art informelle Gruppe der Marktmacher. Sie war offen für alle Interessenten, bestand andererseits auch aus einem harten Kern.

Die thematischen Schwerpunkte

Der Freiraum ermöglichte auch immer wieder, etwas völlig Neues auszuprobieren. Im Rahmen des Freiraums erhielt jeder Informationsmarkt für Führungskräfte im Zusammenwirken der beteiligten Gruppen, dem Vorstand, dem Lenkungsausschuß, der Projektgruppe, den Standmachergruppen und den sich informell bildenden Gruppierungen, die Interessen der Bereiche vertraten, seinen eigenen Charakter.

Für die kritische Analyse sei noch einmal die Bezugsebene markiert: Die ursprüngliche Idee der Nutzung von Metaplanung war, mit den Entscheidertrainings bzw. Problemklausuren, wie wir es später nannten, strategisch geschäftsorientierte Prozesse zu initiieren und zu begleiten. Betroffene sollten repräsentativ einbezogen werden können. Der Informationsmarkt war ein Instrument für den erweiterten Transfer von Erkenntnissen und Ergebnissen zwischen den Beteiligten und Betroffenen.

Die tatsächliche Nutzung ergab sich derart, daß eine Führungskräftetagung in Form eines Informationsmarktes zu organisieren war. Zunächst standen bei hoher interaktiven Partizipation innerorganisatorische Probleme im Brennpunkt der Betrachtung. Strategien und Geschäfte wurden entweder als Geheimsache oder als nicht relevant für den gesamten Führungskreis eingestuft. Was interessiert einen Besucher aus dem Bereich X, was der Bereich Y für Geschäfte macht. Was uns jedoch alle gemeinsam interessierte, waren Fragen der Nutzung der EDV, die Konsequenzen aus der Elektronisierung der Produkte im Vergleich zur Mechanisierung, Personalfragen der Führungsebene und dergleichen mehr.

Das Interesse sollte sich allerdings im Verlauf der vier Informationsmärkte für Führungskräfte wandeln. Schon für den Informationsmarkt 1975 forderte der Vorstand ergänzend die Betrachtung geschäftsrelevanter Themen: Die Kritik hatte recht, den Besucher aus Y interessierte wenig, was der Bereich X vorhatte. Bei dem Informationsmarkt 1980 wurde das Anliegen von außen aufgerollt: Innovation als Herausforderung aus dem Umfeld. Themenschwerpunkte wie Energie und Verkehr, Gesundheit und Umwelt rückten in den Brennpunkt des Interesses. Es kam zu einer wirklich einmaligen Inventur.

Bei dem Informationsmarkt 1990 dominierte das Geschäftliche der Bereiche alle anderen Themen. Die Vorstände und Direktoren der Bereiche trugen persönlich, multimediagestützt, die Absichten für ihre Geschäftsbereiche vor.

Aus moderatorischer Sicht bleibt anzumerken, daß die Zunahme an Geschäftsorientierung in der Thematik einherging mit einer Abnahme an interaktiver Partizipation der Besucher: So war es, muß es so sein?

Rekapitulation der Geschehnisse im Zeitablauf

Der Informationsmarkt für Führungskräfte 1973

Gustav Adolf Pourroy und ich wurden mit der Projektleitung betraut. Das Anliegen für 1973 war, im wesentlichen eine aktive Tagung im Vergleich zu den bisherigen Veranstaltungen passiver Art (Almauftrieb!) zu gestalten. Die Themen sollten bottom-up von den betroffenen Führungskräften selbst in die Diskussionen eingebracht werden. Es gab also keine thematische Gesamtvorgabe. Metaplanung als Methodik zur Aktivierung war vielversprechend. Auszuloten und zur Akzeptanz zu bringen war also die Form und der Grad der Aktivierung. Das war schwer genug. Es galt Neues zu wagen. Es ist gelungen.

Die Teilnehmer trafen sich in der Olympiahalle auf einer "marktähnlichen Straße", wie es in dem Film plastisch gemacht wurde, den Egloff Schwaiger auf dem Markt über den Markt gedreht hatte. Die lebhaften, interaktiv regulierten Diskussionen vermochten zu begeistern Der Vorstandsvorsitzende hob in seiner Abschlußrede hervor: " ... der Erfolg der Tagung wird aber natürlich in höchstem Maße von Ihnen selbst abhängen. Sie haben nun eine Fülle von Problemen gesehen, erfaßt, daüber nachgedacht. Sie werden weiter darüber nachdenken und ich bitte Sie auch zu handeln, nicht darauf zu warten, bis Befehle kommen." Die Informationsmarktstände wurden bei verschiedenen Gelegenheiten zu Präsentationen eingeladen. Der Film wurde nicht nur innerhalb des Hauses vielen gezeigt, sondern auch von zahlreichen externen Unternehmen und Organisationen aufgrund der Veröffentlichung im Manager-Magazin angefordert.

Aktivitäten in der Zeit von 1973 bis 1975

Der Erfolg des Informationsmarktes 1973 zeitigte eine ganze Reihe von Wirkungen. In der Organisationsplanung wurde Metaplanung für vielfältige Aufgabenstellungen nachgefragt. Auf dem Organisationstag der Führungskräfteschulung wurde eine Problemklausur mit all ihren Höhen und Tiefen zu Themen aus dem Teilnehmerkreis absolviert. Beim Bau des Bildungszentrums für Führungskräfte wurde - zunächst gegen heftigen Widerstand - erreicht, daß auch geeignete, großflächige Räumlichkeiten für die Nutzung von Metaplanung vorgesehen wurden. Erfahrene Moderatoren wurden für verschiedene Einsätze angefordert und ein eigenständiges Moderatorentraining konzipiert. Metaplan hat Metaplanung bei Siemens etablieren können. Zur Überraschung vieler wurde der nächste Informationsmarkt für Führungskräfte vom Vorstand bereits für 1975 angekündigt.

Der Informationsmarkt für Führungskräfte 1975

Für die Siemens Tagung 1975 wurde relativ früh Konsens erzielt, daß mit einem Informationsmarkt für das Haus mehr bewirkt werden mußte als nur die Veranstaltung einer noch so gut gelungenen Tagung. Der gesamte Prozeß der Vorbereitung und Durchführung des Informationsmarktes war so anzulegen, daß gemeinsame Aktivitäten für das Haus folgen konnten, über deren Erfolge auf der nächsten Siemens Tagung hätte berichtet werden können. Die Planung der Gestaltung erfolgte gemeinsam mit Metaplan. Ich wurde mit der Projektleitung beauftragt und von Franz Holzwarth und Karlheinz Schumann unterstützt. Für die Vorbereitungen stand ein Moderationszentrum zur Verfügung. Es war spannend und aufreibend, aber alle wurden durch den guten Verlauf und den Erfolg des Informationsmarktes belohnt.

Der Informationsmarkt 1975 fand in München in zwei großen Messehallen statt. Die in den Informationsmarktständen unter dem Leitgedanken "Vorwärtsstrategie" zu behandelnden Themen waren noch einmal zu Themenkomplexen, sogenannten Nestern, gebündelt worden. Daraus ergab sich der Ablauf: Start im Nest - Bericht zum Thema im Stand - Kleingruppenarbeit - Zusammenfassung zum Thema im Stand - Bericht an alle im Nest. Durch diese Arbeitsweise konnten insbesondere die wesentlichen Impulse für die Folgeaktivitäten vorab durchgearbeitet und bewertet werden.

In der Schlußrede des Vorstandsvorsitzenden heißt es: "...... wenn wir das nun zu Hause in die Tat umsetzen, wenn die Nachfolgeaktivitäten so gescheit, so energisch und so schnell vorgenommen werden, wie wir das hier in der Vorbereitung der Tagung erlebt haben, dann hat die Tagung ihren Zweck erfüllt, ihren Sinn gehabt."

Die Periode der Folgeaktivitäten 1975 bis 1978

Der Projektgruppe der Vorbereitung des Informationsmarktes 1975 oblag es, die Impulse und Anregungen für Folgeaktivitäten auszuwerten und dem Lenkungsausschuß einen Vorschlag für die weitere Durchführung zu unterbreiten.

Die 44 auf der Tagung vertretenen Themen wurden zu 26 Projekten, wenn auch höchst unterschiedlicher Komplexität, verdichtet und in einem Maßnahmenkatalog nach Prioritäten und Abwicklungsformen geordnet. Das war kein einfacher Prozeß, aber viel menschliches Engagement, das sich aus der bisherigen guten Zusammenarbeit im Lenkungsausschuß ergeben hat, half so manche Hürde zu überwinden.

An dieser Stelle ein Lob den Mitgliedern des Lenkungsausschusses und eine kurze Reflexion zu seiner Rolle. So ein Lenkungsauschuß war in seiner Besetzung - was viele möglicherweise gar nicht realisiert haben - eine Inszenierung in sich selbst:

- Auf der einen Seite wurden sogenannte "Erwachsene" berufen, die tonangebenden "Oberaffen", wie der von mir verehrte Vorstand Max Günther es zu charakterisieren pflegte: "Wenn der Oberaffe sich kratzt, dann geht die Sache in Ordnung, alle anderen werden sich auch kratzen."

- Auf der anderen Seite war der Lenkungsausschuß eine Bühne für die "Very High Potentials", die sich bewähren mußten und auch profilieren wollten und das in einer Konstellation zwischen Partizipation und Firmenräson. Diejenigen, die noch aktiv sind, bekleiden heute im Hause führende Positionen.

Die Lenkungsausschußtreffen waren für die meisten der Beteiligten schon ein Ereignis. Da das Moderationszentrum sich nicht in den Geschäftsgebäuden befand, sondern außerhalb, war für Verpflegung zu sorgen. Der Eintopf war bei allen Beteiligten bis zum Vorstand hinauf beliebt: Was gibt es denn heute? Oft wurde es spät. Vom Informationsmarkt gab es noch einen Bestand an Frankenwein. Manchmal wurde es noch später. Über die Projekte und deren Ausgang wird noch zu berichten sein.

Der Informationsmarkt für Führungskräfte 1980

Anlaß für die Siemens Tagung 1980 war u.a. der Wechsel an der Vorstandsspitze von Bernhard Plettner zu Karlheinz Kaske und damit verbunden auch der Wechsel im Aufsichtsrat. Dem Informationsmarkt wurde ein Leitmotiv vorgegeben: Die Zukunft unternehmen - innovativ, kreativ, kooperativ.

Karlheinz Schumann wurde als Projektleiter nominiert.. Eberhard Schnelle fungierte mit Metaplan wieder als methodischer Berater. Ich selbst stand praktisch informell, soweit die Zeit es zuließ, noch beratend zur Verfügung

Für die Gestaltung des Informationsmarktes gab es mehr oder weniger deutlich ausgesprochen drei Vorgaben: kurze Vorbereitungsdauer, keine Folgeaktivitäten, minimale Kosten. Warum wohl?

Trotz der Vorgaben gab es genügend Freiraum, Neues auszuprobieren. Dazu gehörte eine theaterhafte Inszenierung über "versäumte Chancen" und ein Podiumsgespräch über den Einfluß menschlichen Verhaltens bei der Innovation. So deutlich wie auf diesem Informationsmarkt konnte die Verhaltensfrage bisher noch nie angesprochen werden.

"Wir haben viel diskutiert in den Tagen, wir haben uns manches Problem vor Augen geführt, und es ist wohl jedem klar geworden, daß dieser schnell sich verändernden technischen Szene, diesen schnell sich verändernden Märkten, den sich immer neu formierenden Wettbewerbsverhältnissen von unserer Seite mit anderer Verhaltensweise begegnet werden muß. Mit einer Verhaltensweise, die eben Innovation, mehr Innovation, schneller Innovationen verlangt und der nur mit erhöhter Kreativität begegnet werden kann."

Diese Worte aus der Schlußrede des scheidenden Vorstandsvorsitzenden leiten die Dokumentation zum Informationsmarkt 1980 ein, die in ihrer äußerst umfangreichen Auswertung heute noch lesenswert ist.

Die Periode weiterer Aktivitäten 1980 bis 1990

Für die Siemens Tagung 1980 waren zwar keine Folgeaktivitäten verabredet worden, trotzdem wurden von Karlheinz Kaske einige Themenschwerpunkte für übergreifende Engagements der Führungskräfte gesetzt, für die der Informationsmarkt möglicherweise sensibilisiert hatte. Die Informationsmärkte zu diesen Themenschwerpunkten waren eher als kleinere Veranstaltungen angelegt, die mehrfach für erweiterte Zielgruppen der Führungskräfte veranstaltet wurden. Vorbereitung und Gestaltung dieser Informationsmärkte wurde konzentriert. Es war jeweils eine Zentralstelle zuständig. Als methodisch-organisatorisch Verantwortlicher fungierte Gottfried Koepnick und später ergänzend Ulrich Ziemann.

Eine methodische Beratung wie bei den vorangegangenen großen Informationsmärkten durch Metaplan erfolgte nicht mehr. Metaplan als Methodik wurde in der Vorbereitung und Darbietung praktiziert, aber auch durch elektronische mediale Elemente angereichert.

Die gruppendynamische Komponente trat allerdings in den Hintergrund, wodurch sich teilweise Verflachungen zu Brainstormings mit szenarienartigen Strukturierungen ergaben, was jedoch allgemein akzeptiert wurde (Punkte kleben war beim Management nie beliebt!. Kleingruppenarbeit wurde eher erduldet: von der Diskussion im Plenum hatten doch wenigstens alle etwas!).

Der Informationsmarkt für Führungskräfte 1990

Dieser Informationsmarkt erhielt ganz andere Akzentsetzungen. Es ging darum, den Zielsetzungen und Intentionen der Neuorganisation des Hauses eine breite Akzeptanz zu sichern und damit verbunden eine Aufbruchstimmung ins Unternehmen hineinzutragen. Eine Basis bildeten die Unternehmensleitsätze. Die Bereiche waren aufgefordert, ihre Zielsetzungen und Strategien vorzustellen.

Ulrich Ziemann übernahm die Projektleitung. Als generelle Form, die verbindlich für alle vorgegeben war, u.a. weil es um die Vermittlung harter Fakten ging, wurde eine Multimedia-Präsentation gewählt. In 10 großen Pavillons mit einem Fassungsvermögen bis zu 100 Personen wurden die Präsentationen mit Dias und Filmen, Computervorführungen und Computeranimationen durchgeführt. Für die mediale Gestaltung zeichnete Egloff Schwaiger verantwortlich.

Ich selbst erlebte dieses Treffen für Führungskräfte als Verantwortlicher für die Präsentation des Bereichs Forschung und Entwicklung. Unsere Vorbereitung war noch klausurartig angelegt. Für die Präsentation wählten wir eine Mischung aus multimedialen Vorführungen zu den Grundfragen der Strategien, eingebettet in eine anspruchsvolle Animation, und arrangierten Gesprächen unserer Verantwortlichen über diese Strategien, die in eine gemeinsame Diskussion mit den Teilnehmern einmündeten. Wir erreichten die höchste Besucherzahl aller Pavillons. Erreichten wir auch die Herzen unserer Partner?

Natürlich war auch dieser Informationsmarkt als Doppelveranstaltung für jeweils 900 Führungskräfte ein Riesenerfolg. Es war schon ein Erlebnis, wenn mehr als 1000 Menschen, auf dem Forum vor dem Wittelsbacher Palais, am Kopfende der Messehalle nachgebildet, flanierten. Dann war es für 90 Minuten wieder wie leergefegt, und es waren nur die Stimmen aus den Pavillons zu hören.

Insgesamt mit den Rahmenveranstaltungen ging es festlicher zu als je zuvor. Und obwohl die Botschaften einer Neuorganisation nicht bei jedem eitel Freude auslösten, war eine Aufbruchstimmung zu spüren. Würde sie auch tragen? In den Folgeveranstaltungen der Bereiche haben die Führungskräfte die Botschaften zur Zukunftsausrichtung weitergetragen, erläutert und im Rahmen ihrer Strategien konkretisiert. Es blieb noch viel zu tun. Nachdem die Struktur auf die Erfordernisse der Zukunft ausgerichtet war, mußten jetzt die Prozesse durchleuchtet werden. Die unter top bekannte Initiative sollte in den Jahren danach anlaufen.

Ein weiterer Informationsmarkt für Führungskräfte?

Die Frage, wie ein weiterer Informationsmarkt für Führungskräfte im Hause gestaltet werden wird, welche Themenstellungen relevant sind und welche Gestaltungsformen gewählt werden, ist zu beantworten, wenn die Zeit herankommt. Es ist zu wünschen, daß sich die Tradition, wo sie sich bewährt hat, fortgesetzt wird und daß neue Elemente zum Einsatz kommen, der Bewährung ausgesetzt und in die Methodik des Informationsmarktes integriert werden.

4. Was war? Rückblende: Erfahrungen, Einsichten und Bewertungen - subjektiv, wie sonst?

Erinnerungen

Die Führungskräfte der Siemens AG machten mit der Form des Informationsmarktes in unterschiedlicher Weise Bekanntschaft:

- als Besucher der Veranstaltung, die sich jeweils über zwei Tage erstreckte

- zusätzlich ein Teil von ihnen als Gestalter des Informationsmarktes in der Vorbereitung und Nachbereitung und als Vertreter ihrer Themen auf der Tagung

Für die Besucher zählt vor allem das Angebot an brauchbaren Informationen und herausragenden persönlichen Erlebnissen und vor allem auch die persönliche Begegnung mit alten Bekannten. Ihre Erinnerungen werden beispielsweise bestimmt durch die aufreizende Diskussion mit einem 68er, die, was die Teilnehmer nicht wußten, simuliert war, oder die Aussprache in einem Spontanstand zu einem brennenden Thema, das Miterleben einer offenen, wagemutigen Einigung zweier Vorstände zu einer Intensivierung der Kooperation oder auch das Killerphrasenspiel, das Eberhard Schnelle selbst veranstaltete, schließlich die standing ovations für den scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden.

Das Angebot zur Partizipation zur Einflußnahme auf Projekte wurde zwar anerkannt und durch eine Bewertung auch angenommen, dann aber war es auch schnell aus dem Sinn.

Solche Erinnerungen werden in Gesprächen wach. Je nach Alter der Teilnehmer reichen sie zurück bis 1973, andere, jüngere, kennen sie nur vom Hörensagen. Und viele heute aktive Führungskräfte haben ihre erste Siemens-Tagung erst 1990 erlebt.

Für diejenigen, die als Gestalter dabeiwaren, zählt zusätzlich noch was anderes:

- die Erinnerung an das Thema oder Projekt, das sie zu gestalten hatten, die Erinnerung, mit welchen Besuchern es damals kontroverse Diskussionen gab und ob sie dabei Ermunterung erfahren haben und wie es mit dem Projekt weiterging

- die Erinnerung an den Vorbereitungsprozeß selbst und mit wem zusammen man damals eine Sache verfolgt und auch zum Erfolg gebracht hat: Daraus sind viele informelle Kontakte entstanden, die den weiteren Berufsweg über auch immer wieder aktiviert worden sind

- die Erinnerung an die Tage und auch Nächte in den Moderationszentren und in den Klausurorten, an die Moderatoren und Prozeßhelfer der Siemens AG und natürlich die Metaplaner: Was ist eigentlich aus diesem und jenem geworden, wurde immer wieder gefragt.

Folgeaktivitäten: Rückblick auf zwei Projekte

Mit den Folgeaktivitäten des Informationsmarktes 75, die sich bis etwa 1977 erstreckten, verbinden sich dann für die Gruppe der Gestalter noch zusätzliche Erinnerungen.

Beispielsweise seien zwei Projekte erwähnt, die den Beteiligten ein großes Engagement abverlangten und die Gemüter noch jahrelang beschäftigt haben: "die Rolle der Zentralen", "die Optimierung der Strukturen der Zweigniederlassungen". Zu beiden Projekten wurde auf dem Informationsmarkt für Führungskräfte in erheblichem Umfange Handlungsbedarf bekundet. Das erste Projekt war ein Projekt des Vorstandes, bei dem ich als Projektleiter fungierte. Das zweite Projekt wurde in Regie der zuständigen Zentralstelle abgewickelt.

Beide Projekte liefen auf dem schmalen Grat zwischen "bewirken wollen" und "die Sache zu einem Ende bringen". Die Mitglieder der prozeßbegleitenden Gruppe, erfahrene Moderatoren oder Standmacher der Informationsmärkte, waren gefordert und mußten alle Register ihres Könnens ziehen, um die Projekte auf dem schmalen Grat zum Erfolg zu bringen. Es wurde bei den Zusammenkünften wirklich hohe Schule der Moderation praktiziert.

Die generellen Ergebnisse beider Projekte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- eine bis dato nie erreichte Transparenz über Ziele, Aufgaben und Funktionen der untersuchten Bereiche, quantitativ und qualitativ analysiert

- konkrete Vorschläge zur Umsetzung der Maßnahmen mit Benennung von Verantwortlichen, die zu großen Teilen durch Selbstverpflichtung gewonnen werden konnten

- eine bis dahin ungewöhnliche Freimütigkeit in der Diskussion aller Aspekte, die es mit sich brachte zu erkennen, daß die Umsetzung in vielen Fällen nicht allein durch sachliche Konstellationen, sondern durch das Verhalten der Beteiligten entscheidend mitbestimmt wurde.

Die Führungskräfte, die in diesen Projekten mitarbeiteten, waren zu großen Teilen selbst Betroffene der Erwägungen und Maßnahmen. So mancher von ihnen hat zwar nicht immer die eigenen Interessen hintanstellen können, aber sich doch überwunden, auf andere zuzugehen, vor allem haben alle gelernt, wie man lernt und wie man hilft, mit dem Resultat, daß aus der unmittelbaren Beteiligung an der Arbeit keine wesentliche Erschwernisse entstanden, wohl aber an den Grenzen zur Außenwelt.

Diese Barrieren ließen sich teilweise aber durch die Veranstaltung kleinerer Informationsmärkte wieder überwinden. Der Zentralvorstand des Hauses hat sich alle Projektergebnisse zur "Rolle der Zentralen" in Form eines Informationsmarktes vortragen lassen und diskutiert.

Allerdings erlangten auch einige wagemutige Vorschläge nicht die notwendige Akzeptanz und wurden aus der weiteren Betrachtung und Arbeit ausgeschlossen. Es waren Vorschläge, die im Zuge der Neuorganisation 1990 allerdings im Verbund eines anderen Kontextes reüssierten. Ob hier eine "Zeitschaltung" wirksam wurde oder eine "Neugeburt" vorlag, mag offen bleiben.

Die generelle Frage ist, ob die beiden Projekte ohne einen Informationsmarkt für Führungskräfte ebenfalls aufgegriffen worden wären und ob sie zu dem gleichen Ergebnis geführt hätten oder ob sie umgekehrt durch den Informationsmarkt wesentliche Impulse erhalten und nicht vorhersehbare Ergebnisse gezeitigt haben.

Für das "Rollenprojekt" gilt, es wurde durch den Informationsmarkt 75 ins Leben gerufen. Das "Strukturprojekt" war schon in Planung. Wesentliche Impulse, die zu Maßnahmen verdichtet werden konnten, sind für beide Projekte zu verzeichnen.

Zur Bewährung partizipativer Organisationsformen

Trotzdem wurden beide Prozesse von kritischen Stimmen bezüglich Aufwand und der Ergebnisse begleitet, die auch in der Erinnerung von Beteiligten und Betroffenen wach werden. Zu dieser Kritik gehörte auch die Meinung, daß in einer großen Organisation die Zuständigkeiten geregelt seien. Es bedürfe also eigentlich keiner besonderen Organisationsform, um die notwendigen Innovationen zu bewirken. Es genüge, die Impulse, Empfehlungen und Anregungen des Informationsmarktes der Führungskräfte aufzunehmen und umzusetzen.

Hier ist bei hoch komplexen Themen, die in ihren zu erwartenden Ergebnissen viele Organisationseinheiten betreffen, umgekehrt die Frage zu stellen, ob nicht gerade durch eine gesonderte Organisationsform eine höhere Ergebnis- und Prozeßeffizienz zu erreichen sei als in den gewohnten Formen der Umsetzung und Durchsetzung mit Gesprächen und Konferenzen.

Die Bündelung der Nachfolgeaktivitäten aus dem Informationsmarkt 1975 zu Projekten, die von Verantwortlichen des Hauses aufmerksam und kritisch verfolgt wurden, bietet in der nachträglichen Analyse Gelegenheit, die Bewährung gesonderter Organisationsformen auszuloten (Volkmann, 1985).

Es ging nicht allein um die Nutzung von Metaplanung, sondern um eine Kombination von Rollen (Promotoren, Beauftragte, Zuständige) und Gremien (Lenkungsausschüsse, Planungs- und Arbeitsgruppen; Abteilungen) und die jeweils adäquate Nutzung des methodischen Repertoires einschließlich Metaplanung. Es ging um die praktische Umsetzung des Prinzips der Entsprechung: Komplexe Problem- und Aufgabenstellungen sind adäquat und erfolgreich nur durch Lösungssysteme entsprechender Komplexität zu bearbeiten (Volkmann 1985)

Die für die Nachfolgeaktivitäten verantwortliche Projektgruppe schlug daher dem für den Informationsmarkt zuständigen Lenkungsauschuß vor, die 26 Projekte mit differenzierten Organisationsformen zu verfolgen. Es wurden fünf Organisationsformen in der Mischung der vorgenannten Elemente, abgestuft in der Komplexität, unterschieden. Das Projekt "Rolle der Zentralen" erhielt beispielsweise höchste Promotion. Es wurden mehrere Beauftragte, ein gesonderter Lenkungsausschuß mit der dazu notwendigen Planungshierarchie von Planungs- und Arbeitsgruppen eingesetzt. Auf der anderen Seite wurde im einfachsten Fall ein Projekt der zuständigen Abteilung zugewiesen.

Die aus 44 Themenstellungen des Informationsmarktes abgeleiteten 26 Projekte waren eine bunte Mischung aus teilweise novativen Aufgabenstellungen (12) und eher altbekannten Problemlagen (14). Die Beteiligten erhofften auf der einen Seite, im Rahmen der Nachfolgeaktivitäten zusätzlichen Auftrieb oder eine schnellere Breitenwirkung zu erlangen, auf der anderen Seite solllten auch Zuständigkeiten stärker in die Pflicht genommen werden.

Von den 26 Projekten waren 13 in der Zuständigkeit schon institutionalisiert. Hier mußte teilweise eine komplexere Organisationsform angestrebt werden. Für 13 neue Projekte, wozu auch "Dauerbrenner" gehörten, mußte erreicht werden, daß die Komplexität angemessen organisiert wurde.

Der Vorschlag der Projektgruppe wurde von Lenkungsausschuß mit sechs kleineren Korrekturen bedacht, wobei die Komplexität in diesen Fällen heruntergestuft wurde, sei es, daß die Komplexität der Problemlage geringer eingeschätzt wurde oder die des Lösungssystems für überdimensioniert gehalten wurde. Was wurde in den Nachfolgeaktivitäten nun bewirkt?

In der rückblickenden Analyse sind Ergebniseffizienz und Prozeßeffizienz der Projekte in Abhängigkeit von Themenstellung und Entsprechung der Komplexität des Lösungssystems zu bewerten, wobei die Akzeptanz des Lösungssystems eine zusätzliche Rolle spielen kann.

Von den 26 beobachteten Projekten der Nachfolgeaktivitäten wurden anhand einer Dokumentanalyse im Ergebnis 17 als erfolgreich und neun als nicht erfolgreich eingestuft. Die Prozeßeffizienz wurde danach bewertet, welcher Prozeßfortschritt in den Monaten danach bewirkt wurde:

- Etwa 20 Monate nach Veranstaltung des Informationsmarktes haben von 12 novativen Themenstellungen fünf Breitenwirkung erreicht, fünf befinden sich im Stadium der Strukturierung und Lösungssuche, zwei wurden abgebrochen.

- Von den 14 eher alt bekannten Problemlagen haben vier Breitenwirkung erreicht, vier befinden sich im Stadium der Strukturierung und Lösungssuche, sechs sind abgebrochen worden, verschollen oder versandet.

Maßgeblich für den Erfolg war, ob es gelungen war, für die Komplexität der Problemlage ein entsprechend komplexes Lösungssystem zu institutionalisieren. Eine Bewertung ließ sich aus dem Vergleich des ursprünglichen Vorschlags der Projektgruppe mit dem vom Lenkungsausschuß verabschiedeten Vorschlag gewinnen. Und hier zeigt sich in der Tat ein signifikantes Ergebnis. Bei 19 Übereinstimmungen waren 17 Projekte sowohl in der Ergebniseffizienz als auch Prozeßeffizienz erfolgreich. Die sieben Fälle der Nichtübereinstimmung hatten dagegen keinen Erfolg zu verzeichnen.

Die Konsequenz der Erkenntnis ist, daß zwar durch den Informationsmarkt Impulse in der Sache gegeben werden können und Bereitschaft für Engagements signalisiert werden kann, daß aber für die Umsetzung eine angemessene Organisationsform gefunden werden muß.

Die Lage war aber noch komplizierter. Es läßt sich ja auch der Erfolg eines Themas auf dem Informationsmarkt im Vergleich aller Themen bewerten und fragen, wie sich dieser auf die Nachfolgeaktivitäten auswirkt. Die Diskrepanz zwischen objektiver Notwendigkeit und Durchsetzbarkeit offenbart folgende kleine Analyse:

Projekte, die im Markt Erfolg zu verzeichnen hatten, sind auch in der Nachfolge eher durchsetzbar als im Markt nicht so erfolgreiche Themen. Trotzdem wurden 10 Projekte, die vom Thema her im Markt nicht erfolgreich waren, in die Nachfolgeaktivitäten aufgenommen. Von diesen 10 Projekten wurden vier Projekte erfolgreich abgeschlossen, sechs scheiterten in den Nachfolgeaktivitäten. Das Problem war, daß sich für diese kein angemessenes Lösungssystem institutionalisieren ließ.

Ob die erreichte Quote des Erfolgs befriedigen kann, ist eine offene Frage. Das Urteil einzelner Mitglieder in der Organisation wird jeweils durch ihren Erfahrungsausschnitt bestimmt sein. Daß die Nichtbeachtung des Prinzips der Entsprechung der Komplexität den Nichterfolg vorprogrammiert, ist allerdings eine Tatsache, die noch längst nicht zum Allgemeingut der Erfahrung der für Innovation Verantwortlichen gehört. Das sollte nachdenklich stimmen.

5. Was wird? Nicht genutzte Chancen und Kritik, Hoffnungen und Perspektiven

Fundamentale Kritik zur Orientierung

Die intensive Zusammenarbeit mit Metaplan zur Gestaltung der Informationsmärkte für die Führungskräfte umfaßte einen Zeitraum von rund 10 Jahren (1970 - 1980). Im Rückblick auf diese Zeit, auch schon im zeitlichen Abstand, der eine Wertung erlaubte, erfuhr ich von Eberhard Schnelle in einem Gespräch etwa Mitte der 80er Jahre seine Sicht zur Entwicklung. Zwei Punkte haben mich sehr nachdenklich gestimmt. Er sagte sinngemäß:

1. Siemens hat Metaplan - bei aller Befruchtung der Methodik in der gemeinsamen Kooperation - auf das Thema "Informationsmärkte" abgedrängt und die Relevanz des strategischen Potentials der Metaplanung nicht erkannt, zumindest nicht voll genutzt.

2. Wir waren bei Siemens in den gemeinsamen Anstrengungen, einen partizipativen Stil zur Innovation zu kreieren, etwa um 10 Jahre zu früh.

Diese Bewertung ist im Tenor durchaus richtig. Sie erfordert aber zusätzliche Interpretationen und regt in einem Abstand von nochmals 10 Jahren zu weiteren Schlußfolgerungen an. Ich meinerseits möchte einen dritten Punkt hinzufügen:

Siemens hat seine Führungsrolle in der Förderung und Weiterentwicklung der Methodik zur Erschließung, Durcharbeit und Vermittlung komplexer, sozio-technischer Innovationen nicht ausschöpfen können und das Potential nicht für ein integriertes Strategie- und Innovationsmanagement nutzbar machen können.

Das Phänomen Komplexität wird noch unterschätzt, obwohl es beispielsweise im Strukturwandel des Anlagengeschäfts mit zunehmenden Anteilen an Software eine immer größere Rolle spielt und als Komplexität der Wirkzusammenhänge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, zwischen Experten und Verantwortlichen stärker denn je zuvor kommunizierbar gemacht werden muß. Die im internationalen Geschäft erforderliche Systemführerschaft wird in ihrer Qualität wesentlich durch die Fähigkeit zur Kommunikation bestimmt. Da liegt in der erweiterten Methodik noch eine Chance.

Das noch nicht ausgeschöpfte Potential

Meine persönliche Perspektive in einem frühen Stadium war, den Informationsmarkt für eine "permanente, revolvierende Innovation von Strategie und Organisation" zu nutzen, Ziel war, die Anpassung und den Wandel der Organisation in Abhängigkeit von den Erfordernissen des Umfeldes zur Sicherung und Weiterentwicklung ihrer Position permanent zu bewirken: Ein innovatives System mit Stätten der Begegnung, in denen Projekte über die internen Organisationsgrenzen hinweg laufend unter moderatorischer Anleitung bearbeitet werden konnten. Die zeitlich und örtlich konzentrierte Veranstaltung eines Informationsmarktes für einen Transfer hätte so keiner besonderen Vorleistung bedurft, sondern wäre je nach Interessenlagen zu Themen und Zielgruppen aus der laufenden Arbeit heraus bestritten worden.

Dieses Anliegen ist durch einen Markt, in dem Angebot und Nachfrage herrschen, am besten abgedeckt. Gegenstand des Marktes sind ganz allgemein brauchbare Informationen über Bedürfnisse und Themen, Kontakte und Kooperationen, Projekte und Erfahrungen, Erfolge und Wirkungen: die Vielfalt und das Netzwerk aller Informationen, die Zielsetzungen, Strategien und Innovationen bestimmen.

Ein solcher Informationsmarkt wäre nicht dem "laufenden Geschäft", sondern dem innovativen Geschehen als Ganzes gewidmet. Dazu gehören Strategien, Forschung und Entwicklung, Organisationsplanung, Investitionsplanung bis hin zur Aus- und Weiterbildung. Es sind einerseits natürlich hoch sensible Themen, andererseits aber gerade die Themen, die für die eigene Position einer Organisation im internationalen Wettbewerb die Weichen stellen.

Hier ist Zeit Geld, und gemessen an der herrschenden Praxis schlummern hier, milde ausgedrückt, beträchtliche Rationalisierungsreserven. Damit ist natürlich der Problemkreis "Macht und Einfluß" in besonderer Weise tangiert.

Dieses hohe Ziel wurde mit den Informationsmärkten nicht erreicht. Sie hatten den Charakter, für die Zielgruppe "Führung" mit jeweils spezifischen Akzentsetzungen in besonderer Vorbereitung brauchbare Informationen zu vermitteln. Nichts desto trotz bleibt das Anliegen der "permanenten und konsistenten Innovation" für eine Organisation eine Herausforderung. Der Bedarf läßt sich in den 90er Jahren in der Vielzahl der beobachtbaren Consultingvorhaben und Benchmarkuntersuchungen, der Lean-Anstrengungen und der Reengineering-Prozesse belegen. Wird bei diesen Vorhaben das Prozeßhafte jetzt stärker betont, so ist es ein Schritt in die anzustrebende Richtung. Dennoch ist eine Integration dieser Bestrebungen in das Organisationsgeschehen bisher nur selten gelungen. Zumindest aus Sicht der Betroffenen bleibt vielfach das Gefühl der "Einmal-Aktionen".

Zeitenwandel und Konsequenzen

Die erste Informationsmarkt war ein Vehikel, fast ein trojanisches Pferd, um die vielversprechende Methodik der Metaplanung im Hause zu etablieren. Durch die Informationsmärkte wurde in kurzer Zeit eine methodische Breitenwirkung erreicht, die auf andere Weise viel langsamer zu erreichen gewesen wäre. Die Informationsmärkte 1975 und 1980 konnten auf der methodisch gelegten Basis aufsetzen. Es wurden über die Folgeaktivitäten wichtige Themen in das Unternehmen hineingetragen, und es wurde eine Erweiterung der Betrachtungen erreicht.

Aus der zeitlichen Abfolge der Informationsmärkte für Führungskräfte 1973, 1975, 1980 und mit größerer Unterbrechung 1990 und ggf.1997 sollten keine falschen Schlüsse gezogen werden.

In den 80er Jahren hat Siemens eine Reihe höchst erfolgreicher, kleinerer Informationsmärkte zu dezidierten Themenkreisen (Durchlaufzeit halbe, mach mehr aus Deiner Forschungsmark, Qualitätsmanagement, Marketing) abgewickelt, in die über mehrere Veranstaltungen zu einem Thema an verschiedenen Orten, auch im Ausland, ein erweiterter Kreis von Betroffenen einbezogen worden ist.

In den 90er Jahren erlebt die Organisation eine Initiative zur Rationalisierung, Qualitätssicherung und optimalen Prozeßgestaltung, in die die Basis in stärkerem Umfange als je zuvor einbezogen wird. Eine Innovationsinitiative ist seit Mitte der 90er Jahre angelaufen. Unter der Flagge "Cultural Change" ist bei einem selbständigen Bereich eine an konkreten Prozeß- und Produkterfolgen ausgerichtete Mobilisierung in Gang. Überall kommen bewährte methodische Elemente zum Einsatz, deren Ursprung und Entstehung vielen der Aktiven oft nicht mehr bekannt ist oder die sie nur vom Hörensagen kennen. Neue Methoden wie Benchmarking sind hinzugekommen.

Nicht zu leugnen ist ein Wandel in den Akzentsetzungen mit Beginn der 80er Jahre, der sich auf das Anliegen der Partizipation auswirken mußte, ablesbar auf der operationalen Ebene der Methodik: Die gruppendynamische Prozeßgestaltung wurde immer stärker in den Hintergrund gedrängt. "Management by Packpapier", wie es liebevoll, aber auch spöttisch zugleich apostrophiert wurde, ist zwar überall im deutschsprachigen Raum in den Alltag integriert, aber die Kunst der Moderation - die jüngere Generation der Moderatoren möge mir verzeihen - ist rituell etwas erstarrt.

Gründe für diese Entwicklung sind sowohl im Innen- als auch im Außenbereich des Unternehmens zu suchen:

1. Die Aufbruchstimmung der 70er Jahre, die auch in den Unternehmen Engagierte unabhängig von Parteifarben beflügelte, ist Nüchternheit gewichen.

2. Der geschäftliche Druck bei starkem Wachstum des Unternehmens im Wettbewerb hat sich verstärkt, das politische Außenklima - auch hier jenseits der Parteifarben - hat auch in die Unternehmen hineingewirkt. Mit den 80er Jahren sind Leistung, damit Effizienz, in den Brennpunkt der Betrachtung gerückt.

3. Leadership wurde angemahnt und galt wieder mehr als der Versuch, das Humanpotential durch partizipative Ansätze zu fördern.

4. Alte Vorurteile brachen sich wieder Bahn: Gruppen von mehr als fünf sind nicht handlungsfähig. Sicherlich nicht, wenn es an entsprechender Methodik fehlt!

Dieser generelle Zeitenwechsel blieb nicht ohne Konsequenzen im Innenverhältnis:

1. Bis zum Informationsmarkt 1980 verfügten wir durchgehend - wenn auch an verschiedenen Standorten - über ein großes Moderationszentrum. Raumknappheit infolge Geschäftswachstum und Kostenargumente führten zur Umwidmung dieser Flächen.

2. Der aufgebaute Stamm der Moderatoren konnte als Team - teilweise sogar als organisatorische Einheit - nicht, zumindest nicht so, wie ursprünglich praktiziert, gehalten werden. Eine systematische, innovative, partizipativ angelegte Nachwuchsförderung für Moderatoren fand nicht mehr statt.

3. Der Stellenwert von "Klassischer Organisation" im Verhältnis zu EDV nahm ständig weiter ab. Organisationsplanung, so wie sie in der Organisationsentwicklung wurzelte, wandelte sich in immer stärkerem Maße zu einem Organisationsconsulting.

Ob ein Einstieg 10 Jahre später mehr und anderes bewirkt hätte, muß offen bleiben. Ob die Unternehmen, die später mit Metaplanung angefangen haben, insgesamt weiter sind, ist ebenfalls eine offene Frage. Ich persönlich glaube es nicht.

Im Gegenteil: Sie sind - von Ausnahmen abgesehen - möglicherweise viel stärker in den Strudel des einseitigen Reengineering hineingezogen worden als Siemens. Innerhalb der top-Bewegung sind im durchaus beachtenswerten Umfange moderatorische Elemente - wenn auch nicht immer in der feinen englischen Art - erhalten geblieben.

"Trotzdem und deshalb" betrifft die Bewertung von Eberhard Schnelle uns alle, was ich in der Konsequenz des von mir angefügten dritten Kritikpunktes aber auch als Herausforderung der Zukunftsgestaltung verstanden wissen möchte. Siemens hat zwar die Chance nicht genutzt, für ein Benchmarking die strategische Systemführerschaft betreffend, die Meßlatte zu setzen, aber noch ist die Chance nicht vertan. Allerdings müssen hierzu eine ganze Reihe von weiteren Entwicklungen in Kombination mit gruppendynamischen Ansätzen integriert werden.

Bewertung aus der Distanz

Die Perioden der 70er, der 80er und der 90er Jahre erscheinen so grundlegend verschieden. Aber wenn man die Problemaufrisse zu den Themen und Herausforderungen der Organisationen vergleicht, dann geht es immer wieder um das gleiche Ringen:

zwischen Macht und Mitwirkung, zwischen Effektivität und Effizienz, zwischen Geschäft und Innovation, zwischen komplexen Sachverhalten und menschlichen Verhaltensweisen

Das Phänomen "Wandel und Innovation" erscheint für mich in den großen Organisationen in der Bewältigung von Komplexität nach wie vor unverstanden. Die Notwendigkeit des Wandels wird als Störung empfunden und selten als Chance der Evolution der Organisationen gesehen. Und Störungen werden gemanagt und abgestellt.

Daraus resultiert ein Drang nach Effizienz, aber kein Ansporn zur Effektivität. Partizipation, die im Streben nach Effektivität zur Entfaltung gebracht werden kann, scheint der Effizienz im Wege zu stehen. Partizipation wird als notwendiges Übel entweder in Kauf genommen oder aber manipulativ genutzt.

Wenn ich versuche, ein möglichst kritisches Resumee zu ziehen, so besteht alles in allem trotzdem kein Grund zum Klagen. Auch wenn die Hoffnungen der Ursprünge utopisch erschienen sein mögen, so ist doch langfristig ein wirksamer Keim zur demokratischen Unternehmensentwicklung gelegt. Aber Gründe zum Wundern gibt es genug:

1. Es besteht eine Kluft zwischen verbalisierten Ansprüchen der Führung an die Mitarbeiter und der praktizierten Kultur der Partizipation.

2. Die Symbiose zwischen den Polen Führungskultur und Mitwirkungskultur ist bisher nicht erreicht. Möglicherweise ist sie auch noch nicht ausreichend erforscht und erprobt, weil Wissenschaft und Praxis nach wie vor die Pole als ein "entweder oder" auffassen, statt sich an einem "sowohl als auch" zu orientieren.

3. Seit 30 Jahren sind mehrere Modewellen des Consulting über die Unternehmen hinweggegangen. Partizipative Ansätze wurden durch "hartes Consulting" verdrängt. Letzere Ansätze haben oft "Narben" hinterlassen, teilweise haben sie dabei nichts, manchmal sogar das Gegenteil des Beabsichtigten bewirkt. Auch beim Reengineering kehrt Ernüchterung ein.

Die Modewellen des Consulting haben den Trend zur Partizipation jedoch nicht kippen können, wenn auch an ihm genagt. Vieles, was im Consulting vorübergehend "in" war, ist nicht mehr im Gespräch. Metaplanung nicht nur als Gruppengesprächstechnik, sondern in ihren erweiterten Formen als Methodik der Kooperation und Innovation hat sich jedoch bewährt.

Die Herausforderungen zur Zukunftsgestaltung

Möglicherweise wird die zur Jahrtausendwende entstehende und maßgebliche Konstellation für die Zukunftssicherung der Unternehmen, der Wirtschaft und damit für die Gesellschaft noch nicht gesehen oder unterschätzt.

Wer die Jahrzehnte Revue passieren läßt, wird sich erinnern, wie die Wellen der Rationalisierung und Optimierung nach und nach immer mehr Bereiche einer Organisation erfaßt haben: die Produktion mit der Verringerung der Wertschöpfungstiefe, die Verwaltung, das Rechnungswesen und die Planung, die Projektierung, die Entwicklung bis hin zur Softwareentwicklung und jetzt auch die Forschung und in ersten Ansätzen mit der Ausdünnung der Führungsebenen, auch das Management. Zur Zeit wird mit dem Reengineering eine permanente Optimierung über alle Ebenen hinweg versucht.

Als letztes bleibt für die weitere Optimierung eigentlich nur, die Führungsbene selbst einzubeziehen. Zwar engagiert sich diese in den Prozessen des Reengineering, sie ist aber selbst - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - mit einem Tabu belegt. Es muß die Frage erlaubt sein, ob nicht auch hier eine tiefergehende Analyse angebracht ist, ob nicht schon im visionären Vorfeld - angesichts voller Terminkalender - Zeitreserven schlummern, deren Mobilisierung zu einer höheren Effektivität führen würde.

Möglicherweise spielt hier die Erfahrung mit den inkrementalen Innovationen des Kleiner, Besser, Schneller und Billiger, die die letzten Jahrzehnte im wesentlichen beherrscht haben, den Verantwortlichen einen Streich: Man konnte durch Setzung geeigneter Rahmenbedingungen die Innovationen von unten, von der Basis her, inkremental evolutionär wachsen lassen.

Mit dem Übergang von der Industriegesellschaft zur Informatiosgesellschaft, verbunden mit dem Wechsel vom vierten zum fünften Kondratieff-Zyklus, ergibt sich aber eine ganz andere Konstellation. Gefragt sind fundamentale Innovationen, die einen Aufschwung bewirken und eine Aufbruchstimmung in der Gesellschaft erzeugen. Diese sind dadurch charakterisiert, daß die Märkte erst geschaffen werden müssen - man kann also nicht einmal die Marktforscher befragen - daß hohe Kapitalleistungen vonnöten sind und daß die technischen Realisierungen, obwohl die Erfindungen bekannt sind, selbst in gewagten Kombinationen noch erprobt werden müssen.

Fundamentale Innovationen erfordern angesichts der finanziellen Vorleistungen Wagemut und hohes unternehmerisches Engagement. Hier muß die Führung selbst aktiv werden. Reeingineering und Benchmarking reichen nicht aus. Die Führung muß sich selbst ein geeignetes Lösungssystem für ihre zukünftigen Aufgaben schaffen. Es ist eine Münchhausen-Konstellation: Sie müßte das Lösungssystem bereits haben, um es eigentlich erfinden zu können.

Mit einem Informationsmarkt für Führungskräfte in der ursprünglich erwogenen Form als permanante Drehscheibe für Zielsetzungen und Strategien einer Organisation und ihre Geschäfte stände ein geeignetes Instrumentarium zur strategischen Prozeßgestaltung zur Verfügung. Aber auch in der Nutzung des Informationsmarktes ergeben sich neue und weitere Perspektiven.

Durchbruch zu einer Integration? Städte des Wissens als Stätten der Begegnung

Der Traum, die Fortschrittsfähigkeit der Organisation durch geeignete Formen der Kommunikation und Partizipation zu sichern und zu fördern, erhält neue Impulse durch die zunehmende Integration der Medien-, Informations- und Kommunikationstechnik. Die Hinweise vieler Kollegen aus der Alltagsarbeit an technischen und organisatorischen Innovationen deuten in diese Richtung. Von der operativen Ebene aus wird das "Feld für Kooperationen" neu abgesteckt. Was dieser inkrementell-evolutionäre Prozeß letztlich an neuen Formen der Organisation hervorbringt, ist noch nicht im einzelnen abzusehen.

Aber Wünschen ist erlaubt: Wünsche heute können Fakten für morgen setzen: Mein alter Wunsch nach einer innovativen Begegnungsstätte ist durch das Nutzungspotential der Technik neu entflammt worden. Mein Weg dorthin führte über mehrere Zwischenstationen:

1. Veranstaltung eines Forums für Forscher (1988) mit 180 Teilnehmern in Form eines gruppendynamischen Prozesses mit Rollenverteilung (Schreiber, Richter, Reporter, Butler)

2. Planung und Ausrichtung des Präsentationsstandes der Forschung für den Informationsmarkt 1990 im Rahmen einer Animation, bei der komplexes Wissen zu Forschungsstrategien mit Elementen der Urbanität in einem erweiterten Kontext aufbereitet wurde

3. Projektorientierte Strategieentwicklung für die Forschung, bei der sich die Beteiligten über einige Monate in einer alten Fabrikhalle trafen, die besenrein hergerichtet bei einer Kombination von Metaplanung und Computerunterstützung ein besonderes innovatives Ambiente ausstrahlte.

In allen drei Fällen wurden strategisch-innovative Themenstellungen mit Beteiligten und Betroffenen in einem Prozeß mit gruppendynamischen Elementen in einem besonderen innovativen Ambiente einer Begegnungsstätte bearbeitet. Die besondere Herausforderung war, die Komplexität der Aufgabenstellungen angesichts der vielfach beklagten Informationsüberflutung zu bewältigen. Es war komplexes Wissen, auch abstrakter Art, anschaulich und "begreifbar" zu machen. Für den Prozeß mußte Wissen in Szene gesetzt werden wie in einem Theater, und es war die Begegnung von Menschen so zu organisieren, daß sie den Prozeß in eigener Regie weiterführen konnten. "Anschaubarkeit, Inszenierung und Begegnung" sind im Grunde genommen alte Elemente des Informationsmarktes.

Daraus erwuchs die Idee, die Metapher der Stadt für das Anliegen "Innovativität" und den damit notwendigen Transfer von Wissen zu nutzen. Die Stadt ist eine allen vertraute Umgebung: Man weiß, wo sich was befindet und wo sich was erledigen läßt. Wird daher "Wissen" in der Organisationsform einer Stadt angeboten, so wird über das Vertrautsein mit der Stadt nicht nur Wissen besser zugänglich gemacht, sondern es werden auch Kräfte der Urbanität unbewußt freigesetzt: Flanieren und Neues entdecken, sehen und gesehen werden, Kunst und Kultur als Anregungen für Phantasie und Kreativität!

Die Idee wurde erstmals öffentlich als "Knowledge Cities" (Volkmann, 1991) formuliert und seit Frühjahr 1993 als Konzept verfolgt. Die Diskussion der Idee führt zwangsläufig zu den virtuellen Realitäten mit allen Chancen, mit Multimedia Anschaubarkeit zu fördern und mit Vernetzungen Inszenierungen zu versuchen. Aber die menschliche Begegnung darf nicht in der elektronischen Präsenz verharren. Sie muß auch aktuell und körperlich inszeniert werden können. Dazu bedarf es einer Begegnungsstätte.

Diese Begegnungsstätte, das Atelier für Innovatoren, läßt sich ebenfalls wie eine kleine Stadt des Wissens gestalten. Der Innovationsprozeß wird über die Stadtviertel einer Stadt repräsentiert und ermöglicht so die selbstorganisatorische Entfaltung eines Prozesses (Volkmann, 1996).

Dieser Wunsch, der in praktischen Erfahrungen wurzelt, wurde zu dem Leitbild "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" verdichtet. Das Konzept wurde von Siemens auf der CeBIT und Industriemesse in Hannover 1995 präsentiert und ist auf große, positive Resonanz gestoßen (Siemens, 1995). Der Wunsch kann Wirklichkeit werden! Die EXPO 2000 mit dem Themenpark bietet Chancen einer Realisierung.

6. Ausklang

Etwa 25 Jahre ist es her, daß ich Bekanntschaft mit einer Idee gemacht habe und neben der Wahrnehmung vielfältiger Management-Aufgaben die Chance hatte, in der praktischen Auseinandersetzung die Tragfähigkeit des Konzepts auszuloten und auch in der gemeinsamen Anstrengung vieler weiterzuentwickeln. "Wirken wollen" hat uns damals alle beflügelt und auch in schwierigen Prozessen getragen.

Als alter Fahrensmann in Sachen "Innovation", vertraut mit Organiationsplanung und Organisationsentwicklung einerseits, Datenverarbeitung und Softwareengineering, Produktplanung und Forschung andererseits, bleibt einem nur übrig, sich zu wundern, wie schwer sich die großen Organisationen mit der Erneuerung tun. Das, was im persönlichen Schaffen die meiste, zumindest große Freude bereitet, Pläne zu schmieden, etwas Ausprobieren, etwas Gestalten und das Gelingen in geistiger Vorwegnahme zu genießen, ist für die Beteiligten in großen Organisationen bei überdurchschnittlichem Engagement nicht immer mit Freuden verbunden. Innovation gleicht einem Hindernisrennen über Barrieren, die, wenn sie bei einer Innovation überwunden werden oder weggeräumt werden konnten, bei der nächsten Innovation auftauchen, als sei nichts geschehen. Hier haben Organisationen noch großen Lernbedarf.

Das Potential zur Förderung und Entwicklung des Humanpotentials in großen Organisationen ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Die Unternehmen und Institutionen der reichen und entwickelten industriellen Gesellschaften können dieses Potential in dem zunehmend härter werdenden Wettbewerb im globalen Maßstab gut brauchen. Es ist fast ihr einzigstes Potential für die Zukunft. Die Fähigkeit zur industriellen Produktion erreichen mehr und mehr Schwellenländer. In weniger als einem Jahrzehnt können sie das, was wir heute können und worauf unser Wohlstand beruht. Die reichen entwickelten Gesellschaften müssen etwas völlig Neues wagen, wenn sie ihre Position im internationalen Wettbewerb behaupten wollen.

Quellen und weiterführende Literatur

Metaplan (1991): Der Informationsmarkt - eine Metaplan-Methode, Metaplan-Reihe Nr. 8, Quickborn 1981

Siemens (1973, 1975, 1980): Interne Dokumentationen in den Siemens-Tagungen, München

Siemens, Autorenteam (1974): Organisationsplanung. Planung durch Kooperation. Berlin und München 1974

Siemens (1995): Xenia; Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft, Beilage zu "ZFE aktuell", Ausgabe 28/2-95, München

Schnelle, Eberhard (1973): Metaplanung. Zielsuche ... Lernprozeß der Beteiligten und Betroffenen, Metaplan-Reihe 1, Quickborn 1973

Volkmann, Helmut (1985): Der Informationsmarkt. Thematische Ansätze zur Zweckprogrammierung, Akzeptanz und Wirkung einer Novität im Innovationssystem der Organisationen, München 1985

Volkmann, Helmut (1991): Mehr als Informationsgesellschaft - Wagnis-Ideen für eine aktive Zukunftsgestaltung, in: gdi-impuls 2/91, Rüschlikon

Volkmann, Helmut (1996): Cities of Knowledges - Metropolisis of the Information Society (dtsch. Fassung: Städte des Wissens. Metropolen der Informationsgesellschaft), in: Kornwachs, Klaus; Jacoby, Konstantin. Information. New Questions to a Multidisplinary Concept, Berlin 1996

Beitrag in: Freimuth, Joachim; Straub, Fritz (Hrsg.): Institutionelle Phantasie. Demokratisierung der Wirtschaft durch modernisierte Gruppenarbeit (in Vorbereitung). (Volkmann 1996 b).



[Artikel und Ausätze]