Städte des Wissens
Metropolen der Informationsgesellschaft

Helmut Volkmann, München

Schauen Lernen
und Phantasie
entwickeln
Kinder können ein Bild anschauen und schweigen, das Bild anschauen und schweigen, schauen und dann erst eine Frage stellen und wieder schauen und schweigen. Und wenn der (un-)geduldige Erwachsene schon zum nächsten Bild in einem Bilderbuch wechseln möchte, dann gibt es stummen Protest, Körpersprache beharrt auf Verweilen, und der Vorgang wiederholt sich. Kinder können auf einem Bild sehr viel Neues entdecken.

Sich schweigend ein gutes Dutzend Bilder mit Geduld anzuschauen und sich erst nach einigen Minuten auf eine Argumentation einzulassen, ist ungewohnt. Die Spannung und Stimmung des Schauens und Schweigens ist schwer, in einem Text einzufangen. Der Inhalt der Bilder läßt sich nur bedingt mit Worten vermitteln. Denn ein Bild sagt mehr als Tausend Worte. Aber möglicherweise ist es sogar gut so. Das Empfinden des Mangels macht vielleicht bewußt, was einem Diskurs an Potential fehlt, wenn Bilder und Sprache nicht gleichberechtigt und gleichzeitig genutzt werden. Das war in alten Zeiten ganz anders. Es gilt, aus der Not eine Tugend zu machen und sogar ohne die Bilder, nur mit einem knappen Kommentar zur Bilderauswahl, Interesse für das Anliegen zu wecken. Es waren zu sehen:

  1. Titelbild des Spiegels, Ausgabe Nr. 36, 6. Sept. 1993: Was rettet die Wirtschaft Sozialabbau, Steuersenkung, Rationalisierung: Ein mit Gütern des Wohlstandes beladenes Frachtschiff in schwerer See; Sicht auf das aus dem Wasser schon bedrohlich herausragende Heck
  2. Heiner Altmeppen: Norddeutsche Landschaft 1980/81; Acryl auf Holz - aus der Sammlung Henri Nannen, Kunsthalle Emden: im Hintergrund Ansicht einer Stadt mit ihren industriellen Komplexen
  3. Pieter Bruegel d.Ä.: Turmbau von Babel 1563; auch Sinnbild des informationalen Babylon von heute
  4. Robert Fludd (1574 - 1637): Der Musikalische Tempel; eine Veranschaulichung zur Harmonielehre
  5. Aufbruch zum Kontinent der Lösungen, Illustration wie aus einem Kinderbuch: Darstellung von Erfordernissen zur Zukunftsgestaltung
  6. Standbilder von baulichen Ensembles aus einer begehbaren Computeranimation: Baukomplexe; Schwebender Baukörper; Turm der Visionen; Gang zu den Zukunftsperspektiven und surrealistisch anmutende Montage
  7. Bilder aus XENIA, der Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft (12): Modell der charakteristischen baulichen Ensembles des Zentrums; das Stadtgebiet: Zentrum und umgebende Viertel (Schema der Terrassenstadt); Schematisierte Stadtansicht vom Viertel der Führung mit dem Turm des Wollens; an der Kreuzung der Allee der Inspirationen und der Allee der Konsequenzen
Das `mehr als`
von Bildern
Bilder sagen mehr als Worte. Das "mehr als" besteht im Erfassen von komplexen Sachverhalten und Wirkzusammenhängen auf einen Blick. Das Schaubare bietet Kontextwissen zu den Objekten der Betrachtungen, das sich nur teilweise durch eine Erweiterung des Kommentars zum Ausdruck bringen läßt. Ein Bild ist unscharf und führt dazu, unterschiedliche Akzente bei Interpretationen zu setzen. Es aktiviert - teilweise unbewußt - mentale Potentiale beim Betrachter. Dadurch wird Phantasie freigesetzt und Kreativität mobilisert. Es werden Assoziationen erzeugt und Analogien angeregt, was zu anderen und erweiterten Einsichten führt.

Durch die Veranschaulichung komplexer Sachverhalte und Wirkzusammenhänge läßt sich zusätzliche Information gewinnen, um Komplexität bewältigen zu können. Eine Veranschaulichung ist leichter bei in Natur und Technik anschaubaren Dingen der natürlichen Realität. Eine bildhafte Wiedergabe ist schwieriger bei abstrakten, immateriellen Sachverhalten. Sie muß sich des Symbolhaften, des Schematischen und/oder der analogen Darstellung unter Nutzung vertrauter Bilder bedienen.

Galilei`s Botschaft
kann Vorbild sein
Angesichts der zunehmenden Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge lohnt es sich, weitergehende Versuche zu wagen. Galilei's Botschaft kann Vor-Bild sein: "Messen, was meßbar ist, und was nicht meßbar ist, meßbar machen." Das bedeutet in Analogie: Anschaubar machen, was anschaubar ist, und was nicht anschaubar ist, anschaubar machen.

Als die Mehrzahl der Menschen noch nicht lesen und schreiben konnte, wurden über Bilderwelten in allen Kulturen äußerst komplexe Sachverhalte vermittelt. Es wurde Wissen in Szene gesetzt wie in einem Theater. Die dreidimensionale Welt der natürlichen Realität wurde nicht nur über die Perspektive in Bildern eingefangen, sondern auch genutzt, komplexe gesellschaftliche Anliegen durch Symbole und Metaphern, Märchen und Mythen, figürliche Allegorien, Skizzierungen von Körpersprache und Topologien weiterzugeben. Durch Anschauen und Kommentar wurde Wissen erschlossen und vermittelt.

Die Weiter-
entwicklung
von Sprache
und Text
Mit der Weiterentwicklung von Sprache und Text zu immer komplexeren Formen der Abstraktion mit all ihren Vorteilen, wobei sich das Bildhafte in der Sprache erhalten hat, war es nicht mehr in gleichem Umfange erforderlich, auch immaterielle Sachverhalte durch Anschauung zu vermitteln. Sprache und Text dominieren, zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften und auch in der politischen Gestaltung der Gesellschaft.

Mit der zunehmenden Integration der Medien-, Computer- und Kommunikationstechnik steht zum ausgehenden 20. Jahrhundert ein Potential zur Verfügung, wieder in verstärktem Umfange "multimedial" zu kommunizieren. Allerdings muß die Gesellschaft der Verführung einer einseitig genutzten Elektronik widerstehen. Neben der elektronischen Kommunikation über Netzwerke muß die persönliche Kommunikation durch Begegnung in ausreichendem Maße gepflegt werden.

Bei den komplexen Problem- und Aufgabenstellungen der Zukunftsgestaltung sind höchst komplexe Sachverhalte zu bearbeiten. Die notwendige Güte der Problemlösungen erfordert ein breites Kontextwissen. Deshalb ist anzustreben, auch immaterielle Sachverhalte in ihrer Komplexität anschaubar zu machen, Wissen in Szene zu setzen wie in einem Theater und vor allem auch die Begegnung von Menschen als Beteiligte und Betroffene zu fördern. Es müssen erweiterte Formen der Kommunikation geschaffen und genutzt werden. Warum?


Etwas völlig Neues wagen

Auf dem Wege zur
Problemlösungs- gesellschaft
Die reichen, entwickelten Industriegesellschaften müssen etwas völlig Neues wagen. Sie müssen "ihre Zukunft neu erfinden". Darin liegt zugleich eine Chance für die globale Gemeinschaft (8). Eine kurze programmatische Skizzierung genügt, die Erfordernisse zu verdeutlichen:
  • Probleme von heute sind Geschäftsmöglichkeiten für morgen. Die gesteigerte Komplexität dieser Geschäfte erfordert eine höhere Qualifikation. Lebenslanges Lernen für den Bürger als Arbeitnehmer und Mitglied der Gesellschaft ist angesagt. Die großen Organisationen müssen schneller lernen. Information muß besser beherrscht werden, damit die Komplexität bewältigt werden kann. Es bedarf eines "geistigen" Aufbruchs mit einer langfristigen Orientierung, der es ermöglicht, auch unbequeme Wahrheiten zu verkraften.

Ziel muß sein, die "Produktivität des Geistes" zu fördern. Die Gesellschaft muß den "Wandel wollen"! Dann kann sie im internationalen Wettbewerb ihre komparativen Vorteile sichern und sich ihren wirtschaftlichen Wohlstand bewahren.

Das Problemlö-
sungsgeschäft
Es geht um die verstärkte Erschlieüng der Problemlösungsgeschäfte. Die Bedarfs-, Applikations- und Innovationsfelder sind bekannt:
  • ressourcenschonende Produkte und Recycling, Energieersparnis, umweltschonender Verkehr, sozialverträgliche Arbeit und Automation, gesundes Bauen und Wohnen, Gesundheitsvorsorge, Sicherheit für den Bürger, komfortable Kommunikation, schlanke Organisation und gesicherte Information, sinnvermittelnde Bildung und Kultur, mußevolle Freizeit

Die Erschließung neuer Märkte erfordert Aufklärung und Informationstransfer, in die viele Verantwortliche und Beteiligte und auch die Bevölkerung einzubeziehen ist. Es muß bewußt gemacht werden, daß in der derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konstellation Lösungen zu den innovativen Herausforderungen der Zukunft in erweiterten und neuen Kontexten erarbeitet werden müssen.


Aus der Vergangenheit lernen: Erfahrung nutzen

Auf der anderen Seite muß und kann die Gesellschaft aus der Vergangenheit lernen, um eine Projektion für die Zukunft zu wagen. Es geht bei der folgenden Analyse nicht um eine Prognose durch Extrapolation, sondern (nur) um die Transpositionen von Erfahrung.

Kondratieff Kondratieff, ein russischer Ökonom, hat versucht, aus der statistischen Analyse der Entwicklung der Industriegesellschaft Informationen für eine verbesserte Planwirtschaft zu gewinnen. Er wurde ein Opfer der großen Säuberung. Die Ergebnisse seiner Arbeiten sind auf Vorschlag von Schumpeter, einem österreichischen Ökonom, unter der Namen Kondratieff-Zyklen bekannt geworden.

Aufgrund der Analysen von Indizes für verschiedene wirtschaftliche Einflußfaktoren kam Kondratieff zu dem Ergebnis, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung in langen Wellen von etwa 50 Jahren vollzieht. Einer Phase der Aufbruchstimmung und des Aufschwungs folgt eine Phase der Reife und des Einschwingens auf einem höheren Niveau. Dieser Verlauf läßt sich als innovative Dynamik deuten.

Während in der Phase des Aufschwungs die fundamentalen Innovationen die Entwicklung treiben, dominieren in der Phase der Reife bis zum Ausklang die inkrementalen Innovationen. Fundamentale Innovationen sind im Vergleich zu den inkrementalen Innovationen des Besser, Schneller, Kleiner und Billiger dadurch charakterisiert, daß die Applikationsvorstellungen noch vage sind, die Märkte erst erschlossen werden müssen und neue Technologiekombinationen, basierend auf vorhandenen Erfindungen, noch zu erproben sind. Fundamentale Innovationen erfordern unternehmerischen Spürsinn und Risikobereitschaft für einen hohen Kapitaleinsatz, um ein neuartiges Netzwerk zu schaffen, damit sich die prägenden Applikationen des Kondratieff-Zyklus mit breiter Wirkung nutzen lassen.

Kondratieff-
Zyklen
Vier Zyklen sind für die Vergangenheit identifiziert worden. Der fünfte Kondratieff-Zyklus, von dem Experten annehmen, daß er durch Applikationen, basierend auf "Wissen und Information" sowie "Ökologie" getrieben werden wird, kann in etwa die nächsten 40 bis 50 Jahre bestimmen. Der Aufschwung durch fundamentale Innovationen erfolgt jedoch keineswegs automatisch. Er ist nicht gesichert, sondern wird durch unternehmerisches Verhalten bestimmt. Bei einer Berufserfahrung von vielleicht 20 bis 25 Jahren in einer Führungsposition verfügen Verantwortliche heutzutage kaum über Erfahrungen aus einer Phase eines Aufschwungs einer langen Welle. Sie können nur aus der Analyse der Vergangenheit lernen.

Eine Analyse der bisher vier identifizierbaren Kondratieff-Zyklen zeigt, daß alle Zyklen durch eine vergleichbar charakteristische Konstellation geprägt wurden, die den Beteiligten und Betroffenen auch bewußt wurde und zur Aufbruchstimmung beigetragen hat:

  • Es waren jeweils einige wenige neue Applikationen, die im Vergleich zum vorangegangenen Zyklus in der Breitenwirkung ein fundamentales Bedürfnis befriedigt und den gesellschaftlichen Fortschritt geprägt haben (Dampfmaschine, Eisenbahn, Beleuchtung, Kino, Telefon, Auto, Fernsehen, Computer, Raketen).
  • Die jeweils breite Anwendung war mit der Schaffung eines flächendeckenden Netzes verbunden und erforderte ein erhebliches unternehmerisches Investment (Eisenbahnnetze, Energieverteilungsnetze, Autobahnnetze, Kommunikationsnetze).
  • Die genutzte Technologiekombination ging teilweise auf Erfindungen älteren Datums zurück, war also zum Zeitpunkt des Aufschwungs schon bekannt.

Unter der Annahme, daß eine derartige Konstellation auch im fünften Kondratieff-Zyklus prägend sein wird, lassen sich Anhaltspunkte gewinnen, die die notwendigen fundamentalen Innovationen des fünften Kondratieff-Zyklus bestimmen helfen. Um es noch einmal einzugrenzen: Die prägenden Applikationen werden neu, d.h. zu Beginn des Zyklus noch gar nicht vorstellbar sein. Das flächendeckende Netz wird ein neues Netz sein, das auf den bisherigen Netzen aufbaut, während die Technologiekombination eher im Bekannten wurzelt.

Die Vermutung ist, daß die Applikationen Bedürfnisse befriedigen, die im Kontext "Wandel wollen" zu suchen sind: komplexe Verfahren der Wissensverarbeitung im Dienste von Erfordernissen wie

  • lebenslanges Lernen, gesellschaftlich richtig rechnen, sustainable development, Aufklärung, "ungeschminkte Wahrheit", Konsumverzicht, komparative Vorteile, langlebige Produkte, Kommunikationskultur, sozialer Friede.

Die Technologien stehen im Dienste der Beherrschung von Information zur Bewältigung von Komplexität. Veranschaulichung mit Ästhetik ist gefragt (ein Bild sagt mehr als tausend Worte), und die Wirkungen auf den Benutzer müssen die Informationsverarbeitung fördern. Trends in der medialen Kunst zeigen interessante Ansätze. Aber erst die Kombination aller drei Faktoren der Konstellation wird den Durchbruch bringen. Ideen müssen gewagt werden.


Aufbruch zum Kontinent der Lösungen

Eröffnung
eines Dialogs
"Ich erinnere mich", sagte ein Teilnehmer später zu einem anderen, der nicht mehr dabei sein konnte - vielleicht mußte er dringend abreisen oder er wollte sich noch die Stadt ansehen - "ich erinnere mich", wiederholte der Teilnehmer, "an eine fiktive Meldung (6):

Auf den Tag genau wie geplant ist rechtzeitig zum Jahrtausendwechsel am 31. Dezember 1999, 9,00 Uhr, die unter Führung des Alpha-Konsortiums mit einem Kapital von rund 550 Mill. Dollar erstellte Knowledge City in einem Vergnügungsareal im Pazifischen Raum nach nur dreijähriger Bauzeit ans Netz der Breitbandkommunikation gegangen. Die Betreiber sind optimistisch, in schon weiteren drei Jahren eine vollständige Refinanzierung zu erlangen."

"Knowledge City? Eine Wissensstadt, das ist doch eine Utopie, wenn nicht gar Unsinn", meinte der andere. "Wartet es ab", erwiderte der Erste. " Es ist ein weiches Signal; man muß es nur zu deuten wissen. Möglicherweise würdet Ihr anders urteilen, wenn Ihr die Illustration 'Aufbruch zum Kontinent der Lösungen' gesehen hättet. Eine Illustration wie aus einem Kinderbuch", fügte er noch hinzu.

"Wie, aus einem Kinderbuch?" fragte der andere eher ungläubig. "Ja", erwiderte der erste schlicht. "Wie aus einem Kinderbuch." "Aber warum denn so eine Kinderei!" rief der andere. "Tja", meinte der erste, "Ihr hättet den Anfang miterleben müssen." Am liebsten hätte er geschwiegen, aber wie sollte er sich ohne Bild mit Schweigen verstandlich machen? Etwas schien der andere angesichts der zögernden Antwort aber doch begriffen zu haben, denn er fragte: "Was war denn auf der Illustration zu sehen?"

Begegnung mit
einer fremden Welt
Der Erste setzte etwa mit folgendem Kommentar ein: "Die Illustration 'Aufbruch zum Kontinent der Lösungen' erzählt dem aufmerksamen Betrachter eine Geschichte. Die Geschichte von der aktiven Zukunftsgestaltung und was die Verantwortlichen tun können, um den Kontinent der Lösungen zu erreichen. Wer die Illustration gesehen hat, wird sie nicht vergessen. Eindrücke sind kaum in Worte zu fassen und Dritten schwer zu vermitteln. Einige Hinweise laden vielleicht aber doch ein, den Aufbruch schon zu wagen, zumindest einen Besuch ...". Der andere unterbrach ihn. "Nun erzählt schon", drängte der andere, "was ist denn auf dem Bild dargestellt?"

Und der Erste fuhr fort: "Im Meer der Wissensexpansion mit seinen riffartigen Bedrohungen und gewaltigen Informationsfluten steuern die Kapitäne mit den Schiffen der Problemlösungen einen falschen Kurs. Bei den unausweichlichen Havarien retten sich einige mit dem Rettungsboot "lean" und kehren nach Babylon zurück. Und Babylon produziert Probleme in allen Richtungen, und die Problemwolken reagieren mit zunehmendem Blitz und Donner, Unwettern, Erdrutschen und vielfältigen anderen Bedrohungen. Ein tückischer Kreislauf, der unterbrochen werden muß. Warnend schwebt der Ballon mit der Botschaft "ein Volk ohne Vision geht zugrunde" über dem Geschehen. Merkur ruft den einen Vernünftigen.

Spätestens nach der nächsten Havarie - am besten schon vorher - sollten die Beteiligten auch das Rettungsboot "keen" nutzen, um zu den in der Zukunft gelegenen Inseln der Hoffnungen und Bedürfnisse gelangen zu können. Dort werden sie weitere Rettungshilfen finden: den Aufklärer, den Satelliten zum Empfang weicher Signale , alles Hilfen, um den Kontinent der Lösungen zu entdecken. Er liegt verborgen hinter der Inselkette der wahren Bedürfnisse. Wenigstens einer muß bis dorthin gelangen, um von dort Orientierungssignale aussenden und die neuesten Erkenntnisse aus der Zukunft in die Gegenwart transponieren zu können (13). Es muß Orientierung gewonnen werden, um den richtigen Kurs zu steuern.

Die aus der Zukunft erlangbaren, "über den Wolken" produzierten und transferierten Lösungsansätze können in die Wissensstadt gelangen, zu Lösungen aufbereitet und vermittelt werden. Diese Städte des Wissens müssen die Schiffe der Problemlösungen anlaufen, um eine zukunftsorientierte Ladung zu löschen, und mit neuartigen Orientierungen versehen, einen sicheren Kurs zu steuern. Es sind viele weiche Signale zu beachten!"

Interpretationen
und Konsequenzen
"Hm", murmelte der andere vielsagend, als der erste geendet hatte. "Verwegen, so eine Darstellung, aber interessant. Die Zustände der Gesellschaft und die Wege, etwas völlig Neues zu wagen, durch eine Darstellung wie in einem Kinderbuch zu veranschaulichen." Der erste nickte zustimmend und wollte noch hinzufügen, daß Merkur, der Götterbote, versucht hat, im Auftrage der Götter den einen Vernünftigen zu finden, um die Botschaft der Götter für das Leitbild " Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" zu überbringen. Aber er kam nicht mehr dazu.

"Ungewohnt, sehr ungewohnt", setzte nämlich der andere wieder an, nachdem er es nochmals überdacht hatte, "auf die Botschaft werden Menschen sehr verschieden reagieren. Es kommt ein bichen auf deren persönliche Veranlagung an." "Ihr habt recht", erwiderte der Erste, "es ist ja vor allem auch eine sehr unbequeme Wahrheit, die jeden einzelnen und die Verantwortlichen tangiert!" "Wie meint Ihr dasß" fragte der andere.

Und der erste fuhr fort: "Möglicherweise sind Kinder die ersten Gründer der Wissensstädte, weil sie die Erwachsenen, die ihr Wissen anhäufen und in sinnentleerten Zusammenhängen artikulieren , nicht mehr verstehen. Kinder bauen sich ihre eigene Welt. Sie besitzen noch die Phantasie dazu, die den Erwachsenen mit Ausnahme der Künstler mehr und mehr abgeht. Kinder werden ganze Wissenslandschaften mit vielen Städten entwerfen, in denen die Visionen zur Zukunft wachsen und gedeihen können.

Zwar rufen Wirtschaft und Politik nach Visionen, aber die Verantwortlichen sind im harten Tagesgeschäft und im Alltag der Politik nicht in der Lage, nehmen sich zumindest nicht die Zeit, Visionen zu erkennen und zu erleben und auszugestalten, geschweige denn eigene zu entwickeln. Das muß sich ändern (10) und das wird sich mit Hilfe der Wissensstädte auch ändern lassen (11).

Denn jeder Mensch ist kreativ bis ins hohe Alter hinein. Die kreativen Kräfte müssen nur geweckt werden (Beuys). Es werden, bedingt durch die großen globalen Herausforderungen der Welt, Wissensstädte entstehen müssen, um die Information zur Bewältigung von Komplexität überhaupt noch beherrschen zu können. Die Gesellschaft braucht Visionen, keine Ideologien (8). Und die notwendige Phantasie läßt sich durchaus mit Systematik mobilisieren.

Kinder sind große Entdecker der Realität. Sie sehen auf einer Zeichnung eines komplexen Sachverhaltes Einzelheiten und Zusammenhänge, die ein Erwachsener zunächst gar nicht wahrnimmt. Erst die Fragen des Kindes lassen ihn gewahr werden, was man auf einer "kindlichen Zeichnung" oder einer Zeichnung für Kinder alles sehen und im Geiste erleben kann.

Mit Hilfe einer solchen Kinderbuch-Illustration soll der Besucher in die Wissenslandschaften mit den Wissensstädten geführt - wenn es sein muß, vielleicht sogar entführt werden!" Und er setzte noch hinzu: "Kinder werden nicht zögern zu fragen, was sich hinter den Nummern auf der Illustration vom Kontinent der Lösungen verbirgt, sich möglicherweise erkundigen, ob es sich um einen Adventskalender handelt." "Und was steckt dahinter?" fragte der ande?re. "Ein Hypersystem", erwiderte der Erste, "mit einer Reihe weiterer Analysen zum Verständnis des Leitbildes 'Städte des Wissens als Stätten der Begegnung' "und, fügte er noch hinzu, "eine Einladung, die erste Wissensstadt zu besuchen.Sie heißt übrigens XENIA, wie ich dem Prospekt entnehmen konnte (12). XENIA, Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft."

XENIA "XENIA, die Gastliche" wurde der andere jetzt lebendiger, "auch die Gastgeschenke, aber im Wortstamm auch das Fremde beinhaltend?" Und kommentierend fügte er hinzu, "ein Symbol für die Gratwanderung zwischen dem Fremden und der Erwartung des Gastlichen beim Aufbruch zum Kontinent der Lösungen? Von XENIA würde ich gern mehr erfahren!" Soweit eine kleine Begegnung zweier Kongreteilnehmer in XENIA.


Das Leitbild: "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung"

Das Vorhaben, auf das mit dem schweigenden Anschauen von Bildern eingestimmt und mit dem fiktiven Dialog über die Illustration hingeleitet wurde, ist der Ableitung und Konkretisierung des Leitbildes "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" gewidmet.

Vielleicht sollte die fiktive Meldung doch ernst genommen werden. Die in der Meldung versteckte Wagnisidee sucht Wagniskapital (6). Sie ist durchaus keine Utopie (mehr), sondern eher schon eine sich konkretisierende Vision, die eine ganze Reihe von beobachtbaren Entwicklungen zu einem praktikablen Leitbild integriert.

Vorbild für
die Wissensstadt
Das Vorbild für die Wissensstadt ist die historisch gewachsene Stadt. Sie repräsentiert in ihrer Anlage und Gestaltung auch die Intentionen und Ansprüche ihrer Erbauer. Ihr Erscheinungsbild demonstriert Herrschaft und Repräsentation, ist Ausdruck von Kultur und sozialen Milieus, vermittelt urbanes Leben und Stimmungen der Geschäftigkeit und des Müiggangs. Sie lebt von und mit ihren Bewohnern. Sie lädt zu Besuchen ein. Kurz: Eine Stadt drückt das Lebensgefühl ihrer Bewohner aus - sie repräsentiert sich als Kontext (3). Bilder zeitgenössischer Künstler legen davon Zeugnis ab.

Wissen gewinnen Der Besucher gewinnt Wissen, indem er die Wissensstadt vor Ort in einer Stadt erlebt. Entweder wird ein Thema in einem Ausstellungsgelände mit eigens baulich gestalteten Ensembles präsentiert, oder es kann die Wissensstadt als Computeranimation, die für ein spezielles Thema im Erscheinungsbild und als Erlebniswelt einer Stadt angelegt ist, in künstlicher Realität besichtigt werden. Beide Verfahren lassen sich miteinander kombinieren.

Wissen wird durch die Topologie und Anlage der Wissensstadt, die Gestaltung der baulichen Ensembles (Fassaden, Grundrisse und die Innenarchitektur der Veranstaltungs- und Ausstellungsräume), das Angebot an immateriellen Waren in multimedialer Ausführung, die Positionierung von Metawissen auf Hinweisschildern in allen Teilen der Stadt repräsentiert.

Wissenstädte als
Stätten des lebens-
langen Lernens
gestalten
Eine solche Wissensstadt kann als Miniatur, vergleichbar einer größeren Ausstellung, gebaut werden oder als künstliche Realität mit Hilfe von Medien- und Computertechnologien im Arbeitszimmer und auch im Wohnraum realisiert und auch in Kombination beider Realitäten verwirklicht werden. Entscheidend ist, daß Wissensstädte als Stätten lebenslangen Lernens gestaltet werden und die persönliche Begegnung zwischen Beteiligten und Betroffenen ermöglichen.

Die technologischen Mittel sind jedenfalls weitgehend vorhanden, und weitere technische Potentiale wie die Holographie können auf Sicht integriert werden. Weltausstellungen, Messen und Besuchsstätten von Firmen werden technisch und ästhetisch äußerst attraktiv hergerichtet und bieten vielfältigen Zugang zu neuen Informationen. Computernetzwerke bieten Foren für Diskussionen. Der Museums- oder Stadtrundgang im und mit dem Computer ist mit Hilfe der CD ROM schon für den Endverbraucher erwerbbar. Die Technik läßt auch für äußerst anspruchsvolle Applikativonen kaum Wünsche offen und wird eindrucksvoll in "Themenparks" und "Futur-Städten" für Präsentationen genutzt (5). Das materiell Erfahrbare aus Natur und Technik wird anschaulich dargestellt. Der Einsatzzweck ist die Unterhaltung. Über Datenautobahn läßt sich sogar die Telepräsenz realisieren. Und dann?

Das übliche
Repertoire reicht
nicht aus
Was dort fehlt, sind zukunftsweisende Inhalte zum Wandel der Gesellschaft. Was fehlt sind Methoden, um auch komplexe Sachverhalte und Wirkzusammenhänge ideeller und immaterieller Art zu veranschaulichen. Mehr noch, es fehlt an Bewußtsein, daß für den Wandel der Industriegesellschaft neue Wege beschritten werden müssen! Denn es sind äußerst komplexe Sachverhalte durchzuarbeiten und höchst komplexe Wirkzusammenhänge zu meistern. Das übliche Repertoire an Methoden zur Erschließung, Aufbereitung und Vermittlung von Wissen reicht dazu nicht aus.

Wissensstädte sollen Wissen in seinem Kontext auch zu immateriellen Sachverhalten und Wirkzusammenhänge repräsentieren. Das geht weit über die bisher realisierten Themenparks hinaus.

Die Gestaltung
einer Wissensstadt
ist vor allem eine
methodisch-
didaktische
Herausforderung
Die Gestaltung einer Wissensstadt ist eine thematische, vor allem eine methodisch-didaktische Herausforderung, der sich neue Berufe und Institutionen widmen können.Letztlich muß immer das Originaldokument studiert werden. Aber auf dem Wege dorthin kann vielfältiger Komfort zur Orientierung und Wissensnavigation geboten werden. Ein Benutzer findet Informationen, die er ursprünglich gar nicht gesucht hat, aber im Kontext seiner Überlegungen gut gebrauchen kann.

In einer ersten Ausbaustufe kann der Besuch sogar in Gedanken erfolgen, als ob man sich auf den Besuch einer Stadt vorbereitet. Dazu dienen Prospekte, Stadt- und Reiseführer, Bildbände und Beschreibungen von simulierten Stadtbesuchen.


Zur Anlage und Gestaltung der Wissensstadt

Orientierungen für
die Projektierung
Eine Wissensstadt ist einem abgrenzbaren Thema gewidmet, das zweck- und zielgruppengerecht aufzubereiten ist. Die in der Wissensstadt für bestimmte Problem- und Aufgabenstellungen zu leistende informationale Wertschöpfung unterscheidet sich je nach Themenstellung, Besuchergruppe und Anliegen in Inhalt, Form und Stil. Diese Differenzierungsnotwendigkeit läßt sich durch architektonische Gestaltung unterstützen.

Es ist der maßgebliche Leitprozeß für die notwendigen Informationsarbeiten zu identifizieren, so da? seine Strukturen in zweckentsprechende Repräsentationen umgesetzt werden können. Bekannte Beispiele sind die Prozeßordnungen des ingenieurmäßigen Arbeitens bei Innovationen, aber auch Gesetzgebungs- oder Verhandlungsverfahren, Curricula in ihrer pädagogischen Umsetzung, Phasenabläufe bei gruppendynamischen Treffen. Der Leitprozeß bestimmt den Gestaltungsrahmen, was wo und wie in der Wissensstadt repräsentiert wird. Die Wissensstadt wird auf eine Erlebniswelt hin angelegt, also nicht vorrangig thematisch gegliedert.

Die an einer Aufgabenstellung zu Beteiligenden müssen einander treffen können. Es geht nicht allein um den Austausch von Faktenwissen, sondern es bedarf je nach Komplexität der Aufgabe in verstärktem Umfang der kontextuellen Verständigung. Die Beteiligten brauchen gemeinsame Orientierungen. Sie müssen verstehen, Wissensordnungen zu nutzen und ggf. zu erzeugen. Es müssen geeignete Denk- und Arbeitsmethoden zweckentsprechend eingesetzt werden. Ein Mittel zur Erreichung dieser Ziele ist eine verstärkte Nutzung der Veranschaulichung von komplexen Sachverhalten und Wirkzusammenhängen auch immaterieller Art. Die Anlage und Gestaltung einer Wissensstadt steht unter der generellen Zwecksetzung der Beherrschung der Information zur Bewältigung von Komplexität.

Wissensobjekte stehen in einem Kontext zueinander. Über Wissensobjekte lassen sich Aussagen zu Inhalten unter vielen Aspekten, zu Formen der Methodik und Didaktik und zur Art der medialen Repräsentation machen. Das kontextuelle Verknüpfungspotential von Wissensobjekten ist - wenn es bewußt reflektiert wird - um ein vielfaches umfangreicher als der Stoff.

Gestaltungsansätze
und Gestaltungsbeispiele
Die Planung und Projektierung der Wissensstadt geht im Prinzip vom Kontextwissen aus und wird schrittweise auf das Objektwissen hin fokussiert. Das Kontextwissen ist im Erscheinungsbild und als Erlebniswelt einer Stadt zu vermitteln. Es dient der Orientierung und der Unterstützung bei der Wissensnavigation.

Das Gestaltungsspektrum umfaßt die Topologie der Wissensstadt, gegebenenfalls mit einer Umgebung, die Abgrenzung des Stadtgebietes und seine Gliederung in Stadtviertel, die Anlage von Straßen und Plätzen, wodurch Bebauungskomplexe entstehen, die architektonische Gestaltung baulicher Ensembles, den Innenausbau bis zu den Vitrinen für Exponate und/oder den Standort für informationstechnisch gestützte Applikationen. Schließlich ist das Objektwissen in Form von Exponanten oder Applikationen zu veranschaulichen.

Thematische und
Methodische Anlie-
gen umsetzen und
medial aufeinander
abstimmen
Die Kunst besteht darin, thematische und methodische Anliegen im Rahmen dieses Gestaltungsspektrums umzusetzen und medial aufeinander abzustimmen. Die Gesamttopologie der Stadt wird am Leitprozeß orientiert. Durch die Anlage von Straßen und Plätzen lassen sich weitere Prozesse veranschaulichen. Die Bebauungskomplexe repräsentieren kontextuelle Cluster, in den baulichen Ensembles wird Objektwissen versammelt.

Bei der Gestaltung der baulichen Ensembles lassen sich durch differenzierte Formen der Baukörper unterschiedliche methodisch-didaktische Ansätze symbolisieren. Der Gestalter muß sich mit prinzipiellen Erfordernissen auseinandersetzen und das Typische als erkennbaren Leitgedanken repräsentieren. Vorgaben für den Gestalter lassen sich kurz beispielhaft charakterisieren.

Die Galeria Die Galeria laden ein, sich mit anderen zu treffen, Wissensobjekte anzuschauen, sich in Gedanken reflektierend und auch meditierend zu bewegen, um die Erfordernisse für eine Problem- und Aufgabenstellung erkennen zu können.

In der Werkstatt
des Wandels
In der "Werkstadt des Wandels", einem sechseckigen Bauwerk, wird mit sechs einfachen Fragen die Bearbeitung einer Problem- und Aufgabenstellung eingeleitet: Was ist geschehen? Warum wird was geschehen? Was wollen wir überhaupt? Was können wir wagen? Was soll geschehen? Was muß geschehen, damit?

Der Permanente
Informationsmarkt
Der Permanente Informationenmarkt wird komplementär reguliert. Der Informationsbroker versorgt potentielle Informationsnachfrager mit Wissensobjekten ihres Interesses, und er ist stolz darauf, wenn die Zahl der Rückweisungen in Grenzen bleibt. Ergänzend wirkt ein anderer Agent, indem er den Informationsverwendern aus ihren Beständen Informationen entzieht, ohne daß diese protestieren. Dadurch wird ein stets aktueller Wissensstand garantiert.

Der Turm der
Visionen
Der Turm der Visionen symbolisiert die Herausforderung: "Wer auf einem Turm steht, hat eine große Übersicht!" Das Inszenarium dient dazu, Wissen in Szene zu setzen wie in einem Theater. Infotainment signalisiert, die vergnügliche Art des Lernens zu nutzen. So hat jedes Bauwerk eine ganz bestimmte Funktion.

Die Gestaltung
der Fassaden
Die Gestaltung der Fassaden und die Ausgestaltung der baulichen Ensembles läßt sich für weitere Veranschaulichungen, auch des Immateriellen, nutzen. Es geht nach den methodisch-didaktischen Anliegen um eine verstärkte Hinwendung zu Sachaussagen.

Es können Fassaden und Eingangsbereiche, Hallen und Treppenaufgänge, Innenräume mit Fenstern und Türen genutzt werden, um Aussagen über Wissenskontexte und Wissensobjekte in veranschaulichter Form zu übermitteln. Inhaltliche Zusammenfassungen und Akzentsetzungen, Kommentare und Botschaften zur Sache lassen sich anschaulich repräsentieren. Ein Besucher erkennt schon vorher, was ihn in einem Gebäude seines Interesses und bei einer Besichtigung im Inneren im Detail erwartet. Das zu Schauende wird schrittweise aufgeschlüsselt. Allein schon die Ästhetik von Darstellungen und die Vielgestaltigkeit dreidimensionaler Repräsentationen erlauben, eine Dichte der Informationsvermittlung zu erreichen, die mit gewohnten Formen nicht zu leisten ist.

Anregungen, wie
sich abstrakte Aus-
sagen visualisieren
lassen
Anregungen, wie sich abstrakte Aussagen visualisieren lassen, finden sich in Werbung und Design und in der Kunst. Die Welt der Kultur ist reich an Beispielen der Veranschaulichung von komplexen Sachverhalten, auch immaterieller Art. Schon in der Gedächtniskunst der Antike (15) wird die Struktur eines Gebäudes benutzt, um sich die Reihenfolge der Argumente bei einer Rede zu merken. Auch in der Renaissance wurden bauliche Anordnungen und Fassaden genutzt, um Wissenszusammenhänge zu verdeutlichen (z.B. Camillos Gedächtnistheater, Tempel der Musik von Robert Fludd). Grundprinzipien der Malerei hat Giovanni Lomazzo (1538 - 1600) - ohne es zu zeichnen - am Sinnbild des Tempels dargelegt. Hier sind noch viele Quellen zu erkunden (1). Dieses Informationsmaterial muß methodisch-didaktisch für das Anliegen erschlossen und aufbereitet werden (9). Es ist Forschungsarbeit zu leisten.

Es bietet sich an, die modernen Ausdrucksformen der "Medienkunst" und "Medienarchitektur" (4) mit den Formen- und Bildsprachen der alten Kulturen zu kombinieren. Im Angesicht des Bildhaften fangen die Gedanken an, neue Wege zu gehen.

Ein komplexes Netz-
werk an Wissen -
durch anschauliche
Art der Repräsenta-
tion beherrschbar
Mit einer Wissensstadt entsteht ein äußerst komplexes Netzwerk an Wissen, das jedoch durch die anschauliche Art der Repräsentation beherrschbar bleibt. Für die Orientierung und zur Unterstützung der Wissensnavigation erhält der Besucher eine ganze Reihe kontextueller Hinweise. Sie werden über mehrere Kommunikationskanäle als sogenannte Leitsysteme angeboten. Es fungiert die natürliche Realität der Stadt als Vorbild.

An vielen Stellen in der Wissensstadt lassen sich Hinweise anbringen, wer was zu bieten hat: Leuchtreklamen, Litfasäulen, Aushänge, Schaukästen, Vitrinen, elektronische Portiers etc. Mit der Namensgebung von Straßen und Plätzen und auch für Gebäude lassen sich weitere Aussagen über Wissensobjekte und ihre Kontexte verbinden. Beschilderungen aller Art - in Analogie zu Verkehrssystemen - führen den Besucher zu den Positionen seines Interesses: Richtungsschilder, Adressen mit Namen von Straßen und Plätzen und Hausnummern.

Wer weiß, was er sucht, kann die Objekte seines Interesses direkt ansteuern. Wer sich in der Wissensstadt umschaut - gleich, ob sie in natürlicher oder künstlicher Realität präsentiert wird - findet Wissen, das er urpsrünglich gar nicht gesucht hat, aber im Kontext seiner Überlegungen gut gebrauchen kann.

XENIA, die Wissens-
stadt am Wege zur
Informationsgesell-
schaft
XENIA ist eine Wissensstadt, die thematisch den Herausforderungen, Problemen und Aufgabenstellungen auf dem Wege zur Informationsgesellschaft gewidmet ist, mit denen sich die reichen und entwickelten Industriegesellschaften auseinandersetzen müssen. XENIA, giechisch die Gastliche, lädt die in die Problem- und Aufgabenstellungen involvierten Gruppen ein, nähere Informationen in der Wissensstadt zu erlangen, die ihren Namen trägt. Dazu gehören Verantwortliche und Experten, Innovatoren und Gestalter aus allen Bereichen von Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Dazu gehören auch die Bürger mit ihrem privaten Lebensbereich und in den Organisationen als Betroffene des Wandels.

Diese Wissensstadt bietet nicht nur den Rohstoff Wissen, wie er beim Datenbankretrieval erschlossen werden könnte, sondern aufbereitetes Wissen, sozusagen Halb- und Fertigfabrikate zur Weiterverwendung oder unmittelbaren Nutzung. Die Wissensinhalte sind nach methodisch-didaktischen Erkenntnissen unter Ausschöpfung der medialen Möglichkeiten als Wissensobjekte aufbereitet worden. Sie werden als sogenannte immaterielle Waren in der Wissensstadt auf Märkten und in Geschäften, auf Ausstellungen und in Veränstaltungen, in Bibliotheken und Archiven angeboten. Der Besucher findet Exponate und kann informationstechnisch gestützte Applikationen nutzen.Für die Nutzung des Wissens steht adäquater, methodisch-didaktischer Support bereit

Es wird Gelegenheit geboten, Informationen zu erlangen und Wissenswertes zu vertiefen, gemeinsam zu lernen, Trainings zu nutzen, Innovationen zu bearbeiten, Kooperationen zu verabreden und alles zu tun, um den notwendigen Wandel aktiv zu gestalten. XENIA, Wissensstadt auf dem Wege zur Informationsgesellschaft, lädt den Besucher ein, sich mit der Wissensstadt in ihren verschiedenen Funktionen als Info-Stadt, Lern-Stadt, Werk-Stadt und Handels-Stadt auf einem ersten Rundgang vertraut zu machen. Sie bietet in neun Stadtvierteln in der Anlage als Terrassenstadt einen Weg für die Erarbeitung der fundamentalen Innovationen. Es sind Leitbilder (2) zu erarbeiten. Der Proze läßt sich als Leitbild-Management systematisch gestalten (14).

Auf diesem Weg wird in den einzelnen Stadtvierteln ein breites Spektrum an Informationen zum Kontext der Informationsgesellschaft angeboten, und es werden die Möglichkeiten der unterschiedlichen Nutzung aufgezeigt. Ein Anwendungsbereich ist, XENIA auch als Werk-Stadt zu nutzen, um komplementär zur Erschließung fundamentaler Innovationen auch die zur Vermittlung von Wissen benötigten neuen Wissensstädte zu gestalten. Doch noch ist XENIA nicht gebaut. Diese Wissensstadt am Wege zur Informationsgesellschaft ist selbst eine fundamentale Innovation. XENIA wird durch Anwendung in eigener Sache auf sich selbst angelegt und gestlatet werden können.

Das Netzwerk der
Wissensstädte
Die "Städte des Wissens als Stätten der Begegnung" repräsentieren ein Leitbild, in dem vorhandene Lösungsansätze neu kombiniert und in dessen Rahmen die noch unbekannten Applikationen betrieben werden können. Das Leitbild ist geeignet, Selbstorganisation zu fördern. Gründer und Gestalter können aktiv werden, Wissenserschlieung, Wissensaufbereitung und Wissenstransfer läßt sich auf Basis dieser Infrastruktur fördern. Die Qualität des Angebots, differenziert nach Zielgruppen, entscheidet die Entwicklung einer Wissensstadt.

Es muß ein "Code of Conduct" für die Gründer, Gestalter, Betreiber und Benutzer von Wissensstädten in Übereinstimmung mit dem Willen zum Wandel gestaltet werden. Monopolstellungen und Mißbrauch müssen verhindert werden, ein Gesetz wäre denkbar.

Um das Jahr 2015 wird es kein exotisch anmutendes Vorhaben sein, eine Wissensstadt aufzusuchen, um sich dort mit Gleichgesinnten zur Lösung oder Entwicklung einer komplexen Problem- und Aufgabenstellung zu treffen.

Ergänzend zu den großen thematischen Wissensstädten des Problemlösungsgeschäfts gibt es spezialisierte Wissensstädte, die sich auf einzelne Themen und Methoden, Forschungen und technische Lösungen spezialisiert haben.

Auerdem finden sich in den Kommunen Begegnungsorte, die an das Netzwerk der Wissensstädte angeschlossen sind - ebenso Kaufhäuser und Geschäfte. Last not least: Jeder kann über im Hause installierte, kleinere Informationsanlagen direkt am Netzwerk der Wissensstädte teilnehmen.

Am Aufbau und Ausbau dieser Netzwerke haben innovative Kräfte aus drei Bereichen zusammengewirkt: Die Unternehmen mit der Interessenlage am Problemlösungsgeschäft, die Kommunen mit der Aufgabe, die Stadtentwicklung der Zukunft zu gestalten, und die Bürger mit dem Ziel, Einfluß zu gewinnen und qualifiziert an der eigenen Zukunftsgestaltung mitzuwirken.

Es ist auch im Interesse der Unternehmen, im Fokus der Kommune die Möglichkeiten für Problemlösungsgeschäfte auszuloten. Stadtsanierung und Stadtentwicklung werden im Rahmen der Versöhnung von "Ökonomie und Ökologie" die Geschäftsfelder der Zukunft maßgeblich prägen.

Die Bürger haben sich auf die verantwortungsvolle Mitwirkung in einer Problemlösungsgesellschaft vorzubereiten.

Besondere Anlässe erweisen sich oft als nützlich, langfristig notwendige Anstrengungen termingerecht zu konkretisieren und zum Nutzen für die Beteiligten in Zielprojekten zu fokussieren.

Die EXPO 2000
in Hannover
Ein ganz besonderes Motiv ist dabei die Weltausstellung im Jahr 2000 in Hannover. Die EXPO 2000 bietet die Chance, die Leistungsbereitschaft nicht nur der Wirtschaft, sondern der ganzen Gesellschaft zur aktiven Zukunftsgestaltung für die globale Gemeinschaft zu demonstrieren.

Denkbar wäre, den geplanten Themenpark in Form der Städte des Wissens als Stätten der Begegnung zu gestalten. Die großen Themenstellungen sind bekannt. Zu jedem Themenfeld engagiert sich eine europäische Kommune und übernimmt zusätzlich eine Art Schirmherrschaft. Zwei bis drei große Unternehmen, durchaus nicht aus der gleichen Branche, denen sich weitere interessierte Firmen anschliessen können, widmen sich den Aufgaben der thematischen Gestaltung, und zwar in enger Kooperation mit der Wissenschaft. Bürger und Institutionen wirken in Netzwerken bei den einzelnen Themenstellungen mit.

Aus allen drei Gruppierungen betreuen Stadtführer die EXPO-Besucher, indem sie in die Nutzungsmöglichkeiten der Informationsangebote einweisen. Wissensbestände werden einen organisierten Handel zwischen den Wissensstädten über die EXPO hinaus schon vorher bewirken und danach ausgetauscht. Auf diese Weise läßt sich eine europäische Initiative starten, aus der das Netzwerk der Wissensstädte hervorgeht, bei dem sich einzelne Wissenstädte bestimmten gesellschaftlichen und unternehmerischen Bedarfsfeldern widmen. Mit ihren Wissensvorräten treiben sie untereinander Handel. Diejenigen Wissensstädte, die die meisten Besucher und Benutzer anlocken, werden sich durchsetzen, andere, die didaktisch schlecht gemacht sind oder sich mit Themen beschäftigen, die nicht zukunftsweisend sind, könnten ein Opfer der Aufklärung werden. .

Noch ist es eine gewagte Idee für eine Wunschvorstellung (7). Aber Wünsche von heute können Fakten für morgen werden. Städte des Wissens zu bauen, die aktuell und auch virtuell als Stätten der Begegnung aufgebaut und ausgestaltet werden könnten, ist mehr als eine interdisziplinäre Herausforderung. Das Vorhaben ist ein Ansatz zum Wandel und auf Sicht eines der größten Arbeitsbeschaffungsprogramme in der globalen Gemeinschaft. Vielleicht gelingt es, eine Koalition aus "Geist, Macht und Geld" zu schmieden. Eine europäische Initiative.


Quellen und weiterführende Materialien:

  • Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis - Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992
  • Dierkes, Meinhold: Hoffmann, Ute: Marz, Lutz: Leitbild und Technik. Zur Entwicklung und Steuerung technischer Innovationen, Berlin 1992
  • Glaser, Hermann: Mythos und Realität der Stadt, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Urbanität in Deutschland, Stuttgart, Berlin, Köln 1991
  • Thomsen, Christian W.: Zu Möglichkeiten medialer Narrativik in hybriden Architekturen, in: derselbe (Hrsg.): Hybridkultur. Bildschirmmedien und Evolutionsformen der Künste. Annäherungen an eininterdisziplinäres Problem, Siegen 1994
  • VDI-Technologiezentrum Physikalische Technologien (Hrsg.): Science Center. Präsentation zukunftsrelevanter Technologien. Bestandsaufnahme, Düsseldorf 1993
  • Volkmann, Helmut: Mehr als Informationsgesellschaft - Wagnis-Ideen für eine aktive Zukunftsgestaltung, in: gdi-impuls 2/91, Rüschlikon
  • Volkmann, Helmut: Vom Nutzen der Zukunftsforschung, Skizzen zum Leitbild einer Wissensstadt, in: Zukünfte 4/92
  • Volkmann, Helmut: Gefragt sind Visionen, keine Ideologien, in: Süddeutsche Zeitung vom 9./10. Okt. 1993
  • Volkmann, Helmut: Zukunft und kulturelles Gedächtnis. Städte des Wissens als Stätten der Begegnung. Vortrag beim VDI/VDE München, 29. Nov. 1993
  • Volkmann, Helmut: Umgang mit Technologie - Der Faktor Information in Wirtschaft und Gesellschaft, in: Schuppert, Dana; Lukas, Andreas (Hrsg.): Lust auf Leistung. Die neuen Legitimationen in der Führung, Wiesbaden 1993
  • Volkmann, Helmut: Die Zukunft unternehmen! Unternehmenspolitik: Visionäre Führung und radikale Innovationen, in: Schuppert, Dana (Hrsg.): Kompetenz und Führung. Was Führungsperönlichkeiten auszeichnet. Wiesbaden 1993
  • Volkmann, Helmut: Städte erleben und Wissen gewinnen. Skizzen zu einem Leitbild für die Informationsindustrie: Städte des Wissens als Stätten der Begegnung. Gedanken zur Eröffnung eines visionären Vorfeldes. Prospekt Nr. 1. München Februar 1994
  • Volkmann, Helmut: Information Market for Solving World Problems, in: Liebig, James, E. Merchants of Vision. People Bringing New Purpose and Values to Business. San Francisco 1994
  • Technologiemanagement in der Informationsindustrie, in: Zahn, Erich (Hrsg.): Handbuch für Technologiemanagement (voraussichtlich Anfang 1995)
  • Yates, Frances A.: Gedächtnis und Erinnern. Mnemotik von Aristoteles bis Shakespeare, Weinheim 1991

Deutsche, erweiterte Fassung eines Beitrages in englischer Sprache, in: Kornwachs, Klaus; Jacoby, Konstantin (Hrsg.): Der Informationsbegriff aus interdisziplinärer Sicht (Dt. Arbeitstitel), Akademie Verlag, Berlin 1995

[Artikel und Ausätze]